In der ELGA-Debatte braucht es Sachlichkeit, keine Polemik

Niederösterreichs Patientenanwalt hat auf die Kritik der Ärztekammer an ELGA mit einer Schimpfkanonade auf die Ärzteschaft reagiert.

Im angeblich friedlichen Advent hat sich nun Niederösterreichs Patientenanwalt Gerald Bachinger nicht lumpen lassen. Wegen ihres Widerstandes gegen einen extrem mangelhaften Entwurf zu einem Gesetz über die Elektronische Gesundheitsakte (ELGA) setzte er an dieser Stelle zu einer wahren Schimpfkanonade auf die Ärzteschaft und ihre gesetzliche Vertretung an („Die Presse“, 13.12.). Die mit Unsachlichkeit und polemischer Emotion gerittene Attacke lässt vermuten, dass die Einwände der Mediziner gegen ein halb gares ELGA-Gesetz so falsch nicht sein können.

Es ist richtig, dass die Ärztekammer mit Inseratenkampagnen die Öffentlichkeit aufgerüttelt hat. Lieber wäre uns gewesen, die Regierung hätte ihre Bringschuld geleistet: durch umfassende Information über den geplanten Elektronischen Gesundheitsakt und durch einen breiten Diskussionsprozess über eine gesellschaftspolitisch schwerwiegende Frage.

Nichts davon. Die von der Ärztekammer im Begutachtungsverfahren geäußerten Bedenken wurden wie andere kritische Stimmen und Anregungen großteils ignoriert, als das Gesundheitsministerium einen völlig unausgegorenen Gesetzesentwurf noch im Dezember ohne Not durch das Parlament peitschen wollte.

Das Beispiel Deutschland

Diese Vorgehensweise ist wenig klug und auch nicht sehr demokratisch. Denn was nach Ansicht Bachingers für Österreich möglicherweise unnötiger Luxus ist, wird bei unseren Nachbarn durchaus praktiziert. Auch bei ELGA. Nach einem jahrelang öffentlich ausgetragenen Meinungsaustausch entschied zum Beispiel die Politik in Deutschland, sich von diesem überdimensionierten Projekt zu verabschieden.

Nun wird auch bei uns über das geplante ELGA-Gesetz diskutiert; endlich hört man Argumente, wägt sie ab, respektiert Meinungen. Nicht so der Patientenanwalt. Er kennt nur seinen Standpunkt. Er meckert. Er schimpft. Er beleidigt. Mit dieser Einstellung wird aus dem drohenden Pfusch leider noch lange nichts Vernünftiges.

Aufwachen, Herr Bachinger! Die Ärzteschaft ist nicht gegen den elektronischen Austausch von Patientendaten. Das geschieht nämlich schon lange! Und zwar über IT-Systeme, die erprobt, benutzerfreundlich, kostengünstig, laufend aktualisierbar – mit einem Wort: effizient sind.

Was die Ärztekammer will

Und was die von Gerald Bachinger den Ärzten attestierte Verfolgungsneurose betrifft: Es ist Teil des Arztalltags, alle Behandlungsschritte zu dokumentieren. Wir kommen dieser Pflicht nach, obwohl sie uns die Zeit nimmt, die wir eigentlich dem Menschen widmen möchten, der von uns Hilfe erwartet.

Zusammenfassend: Die Ärztekammer ist für ein modernes Telematikgesetz, welches das Arztgeheimnis, das Recht der Patienten auf ärztliche Verschwiegenheit respektiert; sie ist für höchste Datensicherheit und penible Einhaltung des Datenschutzes; sie tritt für eine seriöse Kosten-Nutzen-Analyse und die Prüfung von Alternativen ein; sie erwartet sich die öffentliche Finanzierung dieses öffentlichen Projekts. Last but not least will sie die freiwillige Teilnahme von Patienten und Ärzten. Wenn sich der Gesundheitsakt unter diesen Bedingungen bewährt, wird er sich auch durchsetzen.

Den Patientenanwälten schließlich würde ich empfehlen, ihre Sprache und ihren Sprecher sorgfältiger zu wählen, um einen überfälligen und auch dringend notwendigen Diskurs auf sachlicher Ebene nicht zu gefährden.

Günther Wawrowsky ist Facharzt für Innere Medizin, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundesobmann der niedergelassenen Ärzte.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2011)

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