Die ungeborenen Kinder sind kein Sondermüll

Österreichs Kinderabtreibungsindustrie liegt im europäischen Spitzenfeld. Könnten wir da nicht aussteigen und international zu einem Vorzeigeland für Kinderrechte und Lebensschutz werden?

Die demografische Entwicklung macht neben Wirtschafts- und sonstigen Krisen immer mehr Menschen Sorgen. Warum werden bei uns so wenige Kinder geboren, warum wird unsere Gesellschaft trotz Zuwanderung immer älter?

Dafür gibt es handfeste Gründe, die nichts mit Kinderbetreuungseinrichtungen oder der Höhe der Familienbeihilfe zu tun haben, sondern mit einem gesellschaftspolitischen Tabuthema, das immer ausgeblendet wird: dem fehlenden Lebensschutz der noch nicht geborenen Kinder.

Lebensschutz betrifft jeden! Jeder und jede von uns war einmal ein ungeborenes Kind, das seine Geburt erleben und die Welt sehen wollte. Warum ist aus der schönsten und natürlichsten Sache der Welt heute ein lebensgefährlicher Spießrutenlauf geworden, den nur ca. zwei von drei Kindern überleben? Welche Einstellungen in der Gesellschaft fordern einen derartig hohen Blutzoll (mindestens 35.000 bis 40.000 Kinder im Jahr)?

Impulse zum Nachdenken

Warum werden bedrohte Tierarten, Umwelt, Klima auf höchster Ebene geschützt, ungeborene Menschen aber nicht?

Einige Impulse zum Nachdenken: Eine Frau wird von einem Mann schwanger und bekommt ein Kind, ihr Körper weiß das von Beginn weg. Dieses kleine Kind ist von Beginn an ein Mitglied in den Familien seiner beiden Eltern.

Es ist ein kleiner Mensch, aber auch ein Zeuge für die Liebe zwischen Mann und Frau, einen One-Night-Stand, einen Seitensprung, einen gewaltsamen Sexualakt etc. Die junge Mutter und das Kind in ihrem Bauch brauchen Schutz und Unterstützung und zwar emotional, finanziell, materiell und ideell (üblicherweise vom Kindesvater). Dieser kleine Mensch und seine Mutter brauchen in einer besonders schwierigen Lebensphase also Schutz und Unterstützung.

Wie schaut dagegen unsere Realität aus, unser in Gesetze gefasstes Bewusstsein? Das ungeborene Kind existiert vor dem Gesetz nicht. Es verschwindet unter Begriffen wie Schwangerschaftsabbruch, -gewebe, Fötus etc. Es hat keinen Namen, kein Gesicht, kein Gewicht, in einer Gesellschaft, die zuerst alles messen will. So wie früher etwa bei Sklaven, Juden und Indianern, die nicht als „Personen“ mit Menschenrechten angesehen wurden, haben andere Menschen Verfügungsgewalt über dieses Kind. Es kann getötet, als menschlicher Rohstoff in Impf- und Pharmaprodukte verarbeitet oder als Sondermüll entsorgt werden. Nicht einmal die christlichen Kirchen stört das, sonst hätten sie längst ihre Friedhöfe geöffnet, um den abgetriebenen Kindern wenigstens Asyl in Form einer letzten Ruhestätte zu gewähren.

Auch sein Vater kommt im Gesetz nicht vor, obwohl es ohne ihn nicht leben würde. Bis zur Geburt geht ihn sein eigenes Kind nichts an. Vielen Männern, egal, welcher Ideologie oder Religion, ist diese Verantwortungslosigkeit ganz recht, in diesem Punkt verzichten sie gern zulasten der Mutter auf gleiche Rechte und Pflichten.

Nur ein Kavaliersdelikt?

Und wenn sich viele Väter endgültig ihres Kindes entledigen wollen, sind sie bereit – scheinbar großzügig – seine Abtreibung zu finanzieren. Damit machen sie ein tolles Geschäft, denn sie ersparen sich viele Jahre an Alimente- oder Unterhaltszahlungen. Selbst katholische Männervereine sehen das nur als Kavaliersdelikt an.

Ein Samenspenderdasein

Den Vätern scheinen die Konsequenzen für das eigene Mannsein gar nicht bewusst zu sein: Wenn sie die Mütter allein über Leben und Tod der gemeinsamen Kinder entscheiden lassen, führen sie nur mehr ein Schatten- und Samenspenderdasein.

Seine schwangere Mutter existiert natürlich vor dem Gesetz. Sie war immer identifizierbar (mater certa est), im Gegensatz zum Vater (Vater war, wer sich zum Kind bekannte, den Vaterschaftstest gibt es erst seit einigen Jahren) und zum Kind bis zu dessen Geburt (erst das Ultraschallbild hat das verändert).

Hinter der Mutter verstecken sich alle. Sie, die eigentlich persönlichen Schutz und Unterstützung brauchen würde, weil sie ja für einen zweiten Menschen verantwortlich ist, ist zum Freiwild geworden. Jeder kann heute ungestraft Druck auf sie ausüben, Kindesvater, Familienmitglieder, Ärzte mit ihren Untersuchungen, Arbeitgeber. Dieser Druck wird noch erhöht durch das lang andauernde schwere Unrecht in früheren Zeiten gegenüber unehelichen Müttern und ihren Kindern, das noch immer nicht aufgearbeitet ist.

Noch ein zweiter Akteur wird im (Lebens-)Fristengesetz berücksichtigt: der Arzt. Seine Interessen sind gut verankert, egal, ob er bei der Geburt des Kindes hilft oder es vorher tötet. Letzteres hat sich durch viele Fördermaßnahmen im Laufe der letzten 37 Jahre besonders „stark“ entwickelt. Österreichs Kinderabtreibungsindustrie liegt nach Medienberichten heute hinter Russland und Rumänien in Europa bereits an dritter Stelle.

Mittlerweile gibt es fast in jeder Familie Opfer von Abtreibung. Die Lücke der getöteten Kinder, die in ihren Familien, in Gemeinden, Schulen, Unternehmen und im ganzen Land fehlen, ist groß.

Trotz der Riesenangst in Politik und Kirche gibt es Wege, diese Tragödie zu beenden. Es ist an der Zeit, das bisher Geschehene aufzuarbeiten, Einstellungen zu ändern und Taten der Heilung zu setzen, auf dem Weg zur Zuerkennung von Personen- und Menschenrechten für Ungeborene.

Konkrete Erste-Hilfe-Leistung

Einige Prämissen für die dazu notwendigen Maßnahmen:
•klare Worte finden;
•die noch ungeborenen Kinder in alle Forderungen miteinbeziehen;
•den Druck von schwangeren Frauen und Müttern nehmen;
•Männer und Väter in die Mitverantwortung nehmen;
•zur Aufarbeitung konkrete Taten der Heilung setzen.

Als eine Art Erste-Hilfe-Leistung für Ungeborene sollte die Politik konkrete Maßnahmen beschließen:
•jede schwangere Frau schützen. Sie darf von niemandem zu einer Abtreibung ihres Kindes gedrängt oder unter Druck gesetzt werden;
•die Mitverantwortung des Vaters für sein eigenes, ungeborenes Kind sicherstellen, auch in Bezug auf finanzielle Leistungen;
•öffentliche (Steuer-)Gelder nur für lebenserhaltende Zwecke und nicht für die Tötung ungeborener Kinder (zum Beispiel in öffentlichen Spitälern) verwenden;
•alle getöteten ungeborenen Kinder auf dem Friedhof begraben und nicht als Sondermüll entsorgen oder als Rohstoff für die Pharmaindustrie missbrauchen.

Österreich ist 1978 nach einer Volksabstimmung aus der Atomindustrie ausgestiegen und hat sich in der Folge zum Musterland für Umweltschutz entwickelt. Könnte unser Land nicht auch aus der Abtreibungsindustrie aussteigen und ein Vorzeigeland für Kinderrechte und Lebensschutz werden?


E-Mails an: debatte@diepresse.com

Andreas Kirchmair studierte Betriebsinformatik in Wien und Informatik in den USA. Nach Führungspositionen in Industrieunternehmen arbeitet er seit 18 Jahren als selbstständiger Unternehmensberater in der Steiermark. Seit 2004 veröffentlicht er private Stellungnahmen zum Lebensschutz und zum Lebensrecht von ungeborenen Kindern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2012)

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