Schluss mit der Polemik!

Die heutige Generation in Griechenland kann nichts für die Versäumnisse der Politiker in den vergangenen Jahrzehnten.

Nach Lektüre des Gastkommentars von Ulrich Brunner in der „Presse“ (12. April) und zahlreicher anderer Artikel kann ich nur bestätigen: Die Bürger Griechenlands haben die jetzige Situation nicht verschuldet, werden aber von vielen Medien oftmals als die Schuldigen und Uneinsichtigen hingestellt. Stabilität, Wachstum und Zukunftsperspektiven – und dazu gehören auch Motivation sowie Solidarität – sind das, was die Menschen Griechenlands jetzt dringend benötigen. Die von griechischen Bürgern erbrachten Opfer in Form von Sparmaßnahmen, Steuererhöhungen etc. verdienen höchsten Respekt.

Viele Medien haben in der Vergangenheit Halbwahrheiten verbreitet, anstatt objektiv zu berichten. So sind die Ausschreitungen und Demonstrationen gegen die griechische Politik die absolute Ausnahme und nicht die Regel. Diese Proteste sind zumeist auf das Zentrum Athens beschränkt.

Jede gewachsene Demokratie gibt den Bürgern das Recht, ihre Meinung kundzutun – und dies geschieht wie auch in Deutschland meist mit Demonstrationen und Protesten. Auch in Deutschland, England oder Frankreich gab und gibt es immer wieder Unruhen.

Es ist nun an der Zeit, nicht immer nur das Negative, sondern auch das Positive herauszustreichen und den Menschen die daraus entstehenden Chancen aufzuzeigen. Es ist an der Zeit, das Augenmerk auf die Fortschritte zu lenken, die Griechenland gemacht hat, und auf die Opfer, die die Griechen bereits auf sich genommen haben. Sie mussten sich dem härtesten Sparprogramm der neueren Geschichte unterwerfen.

Den Griechen eine Chance geben

Die Griechen müssen einen hohen Preis für die Fehler der Vergangenheit zahlen. Trotzdem sind sie entschlossen, die Reformen durchzusetzen, um wieder Aufschwung und Wachstum zu erlangen.

Es ist auch an der Zeit, den Reformkurs Griechenlands als Bekenntnis der Griechen zu Europa zu betrachten. Weder dem Land selbst noch Österreich oder Deutschland als Exportländer wäre gedient, wenn man Hellas aus dem Euroraum verstößt und in die Abwertung zwingt.

Es bedarf der weiteren Unterstützung durch die europäische Staatengemeinschaft, aber auch des Vertrauens, dass die Griechen bereit und fähig sind, den harten Kurs durchzustehen und trotzdem die Wirtschaft anzukurbeln sowie nachhaltige Stabilität zu erreichen.

Vor Kurzem war die neue griechische Wirtschaftsministerin, Anna Diamantopoulou, von der sozialdemokratischen Pasok auf einer Tour durch Europa, um den Regierungen und den Medien die Reformen vorzustellen. Die Ministerin sagte, es werde nicht zwei oder fünf, sondern zehn Jahre dauern, bis die Reformen greifen werden. Diese zehn Jahre sollten wir Griechenland gönnen.

Es ist wie im realen Leben – auf jedes Tief folgt ein Hoch. Als einer, der Griechenland und die Mentalität der Griechen kennt und der als Brückenbauer zweier Welten fungieren möchte, betone ich: Wir müssen Griechenland eine Chance geben!

Christian Seyrer (36) ist Geschäftsführer der G.I.S Global Immobilien Service GmbH (Augsburg/Athen), dem Marktführer für Immobilien und Bauen in Griechenland. Das Unternehmen hat 14 Jahre Erfahrung beim Bau von Ferienimmobilien und Altersruhesitzen in Griechenland.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2012)

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