Die Musik spielt im Pazifik – mit nationalistischen Misstönen

Den Wiederaufstieg Asiens zu globaler Dominanz können nur die Asiaten selbst verhindern. Vor allem Chinesen und Japaner.

GedankenLese
Blick in politische ZeitschriftenVergangene Woche schaute US-Präsident Barack Obama wieder einmal für ein paar Tage in „Good Old Europe“ vorbei und hielt eine seiner schönen Reden in Berlin. Schön. Aber dieser Trip konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die außenpolitischen Prioritäten der USA in den vergangenen Jahren verschoben haben: Die Globalmacht USA richtete ihre Interessen schon unter Obamas Vorgängern im Weißen Haus verstärkt danach aus, wo die Musik am lautesten spielt. Und das ist der asiatisch-pazifische Raum. Europa hat durch die Kakofonie in seiner Außen- und Sicherheitspolitik in den vergangenen Jahren selbst dafür gesorgt, seine Rolle im globalen Mächtekonzert zu marginalisieren.

Also Asiens Wiederaufstieg zu globaler Dominanz, Niedergang Europas und später einmal der ganzen westlichen Welt? Der weltpolitische Vordenker Joseph S. Nye erinnert in der Fachzeitschrift „The American Interest“ (4/2013) daran, dass Japan noch in den 1990er-Jahren von manchen der Aufstieg zur „Nummer eins der Welt“ prophezeit worden war. Wo aber steht Japan heute? Nye geht jedoch einer anderen Frage nach – nämlich jener, ob die Rivalitäten zwischen China und Japan in einen Krieg ausarten und die USA da mit hineingezogen werden könnten.

Das Kernproblem ist der Nationalismus in den beiden großen ostasiatischen Ländern. Die Chinesen befürchten, dass in Japan ein rechtsgerichteter militaristischer Nationalismus wiederauferstehen könnte. Nicht nur die Japaner, sondern fast alle Nachbarn misstrauen dem außenpolitisch immer selbstbewussteren, militärisch aufrüstenden China, das mit ausgefahrenen Ellbogen durch die ganze Region stampft und dampft. Die größte Gefahr ist, schreibt Nye, dass sich die Nationalisten in China und in Japan gegenseitig hochschaukeln, bis eines der beiden Länder schließlich nicht nur verbal ausschlägt. Die USA, rät der Harvard-Professor, sollten in dieser Situation keine Politik der Eindämmung gegenüber China betreiben, sie sollten ihre eigene Politik im pazifischen Raum auch nicht „übermilitarisieren“, sondern sie sollten Peking ermutigen, seine Instrumente „weicher“ Machtpolitik besser zu entwickeln, um das große Misstrauen seiner Nachbarn abzubauen.

Auch „Le Monde diplomatique“ (5/2013) widmet der heiklen Situation in Ostasien einen Schwerpunkt. Der chinesisch-stämmige Journalist Chi Ming argumentiert da, dass China in dem Konflikt mit Japan möglicherweise seine militärischen Kräfte überschätze und mit Säbeln rassle, die es gar nicht habe. Er sieht in Peking Nationalisten und Ultralinke am Werk, die die Angst vor der Entstehung einer Art asiatischer Nato schüren würden, die sich gegen China richten werde und in der Japan eine wichtige Rolle spiele. Während liberal gesinnte Kreise eine Aussöhnung mit Japan und eine weitere Öffnung Chinas hin zum Westen befürworteten, wiesen Linke ein solches Ansinnen als Hochverrat zurück.

Wladislaw Inosemzew vom Moskauer Zentrum für postindustrielle Studien wiederum hält es für keine kluge Politik der russischen Führung, gemeinsam mit Peking eine antiamerikanische Front zu bilden und darauf zu hoffen, dass die Chinesen Russland bei der wirtschaftlichen Modernisierung – gerade auch des Fernen Ostens – unter die Arme greifen: „Sollten die derzeitigen Handelsbeziehungen zu China ausgeweitet werden, wird das die fortschreitende Deindustrialisierung Russlands befördern: Sie liefe auf die Aufgabe aller Modernisierungsvorhaben hinaus.“ Bei der weiteren Entwicklung des Fernen Ostens sollte Moskau vielmehr auf die Kooperation mit Japan, Südkorea und den USA setzen, empfiehlt er.


E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2013)

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