Moskaus Milliarden für die Imagepflege: Was hat's genützt?

Putin hat viel Geld für die Verbesserung des Ansehens seines Landes ausgegeben. Dann holte er sich die Krim ...

Eine Milliarde Dollar im Jahr investierte Russland zuletzt für die Verbesserung seines Images in der Welt; davon gingen allein 300 bis 400 Millionen in den Auslands-TV-Sender „Russia Today“, der inzwischen als Konkurrent von CNN, BBC World, Euronews oder Al Jazeera um das Publikum der Nachrichten-Freaks in aller Welt wirbt. Ziemlich erfolgreich sogar, selbst wenn sich „Russia Today“ gerade bei der Ukraine-Krise als ganz profaner, plumper Propaganda-Sender des Kreml erweist.

Die Millionen fließen aber auch in Auslandsradio-Sender, Zeitungsbeilagen oder westliche PR-Agenturen. Altpolitiker in diversen Beraterfunktionen wollen bezahlt werden, ebenso wie Einladungen zu Russland-Reisen oder internationale Konferenzen und Kongresse zum Zwecke der Imagepolitur. Die deutsche Publizistin Gemma Pörzgen listet das alles in einem langen Aufsatz in der in Berlin erscheinenden Fachzeitschrift „Osteuropa“ (I/2014) auf.

Ihren Essay hat Pörzgen freilich vor der Einverleibung der Krim im März geschrieben. Inzwischen darf man schon fragen, ob der Kreml bei der versuchten Imagepflege in den vergangenen Jahren nicht Abermillionen, wenn nicht gar Milliarden Dollar sinn- und zwecklos verbrannt hat. Sonst hätten wohl kaum 100 Staaten in der UN-Vollversammlung am 27. März die Lossagung der Krim von der Ukraine für ungültig erklärt; oder wäre Russland wegen der Krim-Sache wohl kaum am 10. April das Stimmrecht im Europarat entzogen worden. Ob das jemanden in Moskau wurmt? Pörzgen zitiert einen Insider, demzufolge sich in Russlands herrschender Elite zunehmend „kalter Zynismus“ breitmache; diesen Leuten sei „inzwischen egal, was man anderswo über Russland denkt“.

Freilich ist unübersehbar, dass Putin auch im Westen seine Fangemeinde hat. Der Politikwissenschafter Hans-Joachim Spanger untersucht in einem anderen Aufsatz in „Osteuropa“, wie Russland unter Putin sich zuletzt darum bemühte, in die alte Rolle des „Gendarmen Europas“ zu schlüpfen, indem der jetzige Kreml-Chef ein Programm gegen Kosmopolitismus, Multikulturalismus und libertäre Werte predigt und dafür vom amerikanischen Rechtsaußen Pat Buchanan bis zu Marine Le Pen (und auch H.C. Strache) viel Applaus erhält. Und wie die Rechtspopulisten sähe Putin die EU am liebsten als Trümmerhaufen: „Ohne die EU sähe sich Russland im Westen des Kontinents nicht länger einer geschlossenen Front gegenüber, was die lang ersehnten Entfaltungsmöglichkeiten changierender Allianzen eröffnen würde“, schreibt Spanger.

Die von Paul Lendvai geleitete „Europäische Rundschau“ startet nach ihrer Serie über den Nationalismus in Mittel- und Osteuropa nun ein neues Projekt zu Geschichte und Gegenwart des Antisemitismus in derselben Region. Der einleitende Essay des deutsch-israelischen Historikers Dan Diner zu „Metamorphosen des Antisemitismus“ ist zwar etwas sperrig geraten. Umso lesenswerter sind die drei Aufsätze, die sich mit Antisemitismus und Judenmord in Ungarn beschäftigen.

Vor allem der Historiker Krisztián Ungváry zeigt in seinem Beitrag „Hitler, Horthy und der ungarische Holocaust“ erneut, dass er inzwischen der führende Experte bei diesem Thema ist. Er nennt die Dinge auch ungeschminkt beim Namen. Dazu gehört, dass die ungarische Regierung bis 1941 sogar noch schärfere antisemitische Gesetze erließ als Hitler-Deutschland selbst und dass ungarische Stellen 1944 dann bei der Deportation und Ausplünderung der jüdischen Mitbürger beschämenden Übereifer an den Tag legten.

Emails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.