Starker Autokrat, imperialer Präsident: Was will Xi Jingping?

Amerikanische China-Experten blicken mit Staunen nach Peking, wo der jetzige Führer immer mehr Macht anhäuft.

Als Wladimir Putin im Lauf des Jahres 1999 immer mehr in den Vordergrund der politischen Bühne Russlands rückte und er es schließlich ins Präsidentenamt schaffte, herrschte in der Riege westlicher Moskau-Beobachter helle Aufregung: „Wer ist Putin?“, fragten sie auf ihren Konferenzen und erhofften sich dort Antworten der Kollegenschaft. Ähnliches erleben wir, seit im November 2012 in der Volksrepublik China Xi Jinping an die Spitze von Partei und dann Staat gerückt ist. Seit damals suchen die Peking-Beobachter unruhig nach Antworten, wer denn eigentlich dieser Xi sei, der inzwischen eine derartige Machtfülle auf sich vereinigt, wie sie seit Mao kein kommunistischer Führer in China mehr hatte. (Übrigens, bei einer Begegnung im März 2013 sagte Xi zu Putin: „Wir sind uns charakterlich ziemlich ähnlich.“)

Das US-Fachmagazin „Foreign Affairs“ schrieb in einem seiner jüngsten Hefte von „Chinas imperialem Präsidenten“, analysierte den zielstrebigen Ausbau seiner persönlichen Macht – im Gegensatz zur jahrzehntelangen Tradition der kollektiven Führung – und das Anziehen der Repressionsschrauben im Inneren. All sein Handeln lasse sich dabei aus seiner impliziten Furcht erklären, erläutert da Elizabeth C. Economy vom „Council on Foreign Relations“: „Dass eine offene Tür für westliche politische und wirtschaftliche Ideen die Macht des chinesischen Staates unterminieren wird“.

Im „New Yorker“ gibt der langjährige Peking-Korrespondent Evan Osnos (soeben ist bei Suhrkamp seine preisgekrönte China-Studie „Große Ambitionen“ erschienen) in einem langen Essay einen tieferen Einblick in die Persönlichkeit Xis und sein politisches Denken und Handeln. Während der Kulturrevolution wurde auch dessen Vater Xi Zhongxun, ein früherer Propagandaminister unter Mao, Opfer der brutalen Verfolgung durch die Roten Garden – und damit auch Xi Jingping selbst. Um zu überleben, berichtet ein Bekannter Xis, habe sich dieser entschieden, „noch roter als die Roten“ zu sein. Er trat der kommunistischen Jugendliga bei, wurde dann 1974 in die KP aufgenommen – von da an ging's bergauf.

Osnos zufolge ist Xi als Führer im chinesischen Volk vor allem aus zwei Gründen populär: wegen seiner selbstbewussten Außenpolitik (Xi nimmt Abstand vom außenpolitischen Leitsatz Deng Xiaopings „Verberge Deine Stärken und warte auf den richtigen Zeitpunkt“) und wegen seines konsequenten Kampfs gegen die Korruption. Wobei nicht klar sei, ob er diesen Kampf führe, um wirklich die Riesenkrake Korruption zu zähmen oder um politische Widersacher auszuschalten. „Es geht nicht einfach um das eine oder das andere: Korruption bedroht die Legitimität der Partei in einem solchen Ausmaß, dass es für einen Parteiführer ein Gebot der Stunde ist, sie auf ein erträgliches Maß zurechtzustutzen. Aber der Kampf gegen Korruption ist selbstverständlich auch ein erprobtes Instrument zur politischen Konsolidierung – und Xi hat es bis in die höchste Ebene gegen seine Opponenten eingesetzt.“

Wie aber soll der Westen mit diesem entschlossenen, selbstbewussten chinesischen Führer umgehen, der auch militärisch gerne die Muskeln spielen lässt und so andere Staaten in Nordost- und Südostasien verängstigt bei den Amerikanern Schutz suchen lässt? Elizabeth Economy rät Washington dringend davon ab, seine Beziehungen zu China als einen Wettstreit zu gestalten: „China als einen Kontrahenten oder Feind zu betrachten, wird Xis antiwestliche Einstellung nur anheizen und gleichzeitig alle jene in China schwächen, die auf Mäßigung drängen.“

E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2015)

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