Als Österreich sich wieder aus den Trümmern aufzurichten begann

Geschichtemagazine boomen. Zwei Beispiele zu Nachkriegs-Österreich und zu Irland.

Ein Blick in gut sortierte Zeitschriftenabteilungen größerer Buchläden zeigt: Geschichtsmagazine boomen. Zu den Geschichtsillustrierten renommierter Zeitschriftenverlage gesellen sich immer neue Produkte. Ganz offensichtlich gibt es immer mehr Leser, die sich eine historische Ära, einen geschichtlichen Wendepunkt oder eine die Epoche prägende Persönlichkeit in Form einer gut bebilderter, verständlich beschriebenen und leicht lesbaren Illustrierten erklären lassen.

Noch ziemlich jung und speziell auf die österreichische Geschichte zugeschnitten ist ein Magazin namens „Zeitreise Österreich“. Drei Ausgaben sind bisher erschienen – eine zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs, eine zur Wiener Ringstraße und druckfrisch soebendie dritte: Sie widmet sich dem neuen Österreich 1945–1955. Der Zeitschrift tut gut, dass sie sich wissenschaftlich beraten und begleiten lässt. Erwin A. Schmidl, Leiter des Instituts für Strategie und Sicherheitspolitik an der Landesverteidigungspolitik in Wien und Zeitgeschichte-Lehrender an den Universitäten Wien und Innsbruck, hat diese Aufgabe übernommen.

Wohl ihm dürfte zu verdanken sein, dass eine Reihe bekannter Historiker Beiträge zu dem 1945er-Heft beigesteuert hat: so der Linzer Wirtschaftshistoriker Roman Sandgruber über Österreichs Erholung nach dem Wirtschaftsinfarkt 1945 oder der Osteuropahistoriker Wolfgang Mueller von der Akademie der Wissenschaften, der nachzeichnet, warum die Sowjetunion nach beharrlichem Zögern schließlich doch dem Staatsvertrag von 1955 zustimmte, oder Michael Gehler von der Universität Hildesheim, der sich mit Österreichs Weg vom Kriegsende 1945 bis zum EU-Beitritt 1995 befasst.

Von Schmidl selbst stammen drei Aufsätze: ein geschichtlicher Überblick vom „Anschluss“ 1938 bis zum Staatsvertrag 1955, ein Beitrag über das Treiben der alliierten Geheimdienste während der Besatzungszeit und ein Essay zu den Bemühungen Österreichs, nach 1955 eine Rolle auf der internationalen Bühne zu spielen.

Besonders hervorzuheben sind Beiträge, die sich mit Themen befassen, auf die die Forschung erst jüngst ein Schlaglicht gerichtet hat. Dies gilt vor allem für Uta Baur-Timmerbinks Überblick über die Kriegs- und Besatzungskinder, also die hunderttausenden Kinder, die Wehrmachtssoldaten in okkupierten Gebieten hinterlassen beziehungsweise die alliierte Besatzungssoldaten in Deutschland und Österreich gezeugt haben; in Österreich sind das etwa 50.000. Oft genug wurden die Mütter dieser Kinder als „Ami-Flittchen“ oder „Neger-Huren“ verteufelt, die Stigmatisierung hinterließ lebenslang traumatische Spuren.

Das in Augsburg gemachte Monatsmagazin „Geschichte“ gibt es schon seit vielen Jahren. Es legt auch weniger Wert auf Wissenschaftlichkeit, der Zugang ist eher populär-journalistisch. In Heft 7/2015 befasst sich „Geschichte“ mit 5000 Jahren irischer Geschichte. Das kommt nicht von ungefähr, denn Irland ist zu einem immer populäreren Sommerreiseziel geworden.

Der Schnelldurchgang zur irischen Geschichte kann in 14 Aufsätzen absolviert werden – von der Moorleiche von Cashel bis zum Bloody Sunday vom 30. Jänner 1972. In mehrerenBeiträgen wird geschildert, wie die Engländer den Iren in den Jahrhunderten gegenübertraten: mit Arroganz, Skrupellosigkeit und Niedertracht – was bei den Irenbis heute nachwirkt. Besonders zur Lektüre empfohlen: Svenja Muches Beschreibung der 1950er-Jahre in Irland, in denen die Insel in Tradition und Rückwärtsgewandtheit geradezu erstarrte.

E-Mails: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.