Donald Trumps große Furcht vor Schwäche und Impotenz

US-Magazine beleuchten den republikanischen Kandidaten für das Weiße Haus aus allen möglichen Perspektiven.

Kollegin Sibylle Hamann hat in ihrem letzten „Quergeschrieben“ (2. 8.) schon über den Aufschrei von Tony Schwartz berichtet, der angesichts der Aussicht, dass Donald Trump tatsächlich als Präsident ins Weiße Haus einziehen könnte, in einem Interview mit dem Magazin „New Yorker“ (25. 7.) erfolgte. Schwartz hat Mitte der 1980er-Jahre eine Biografie für Trump verfasst, die unter dem Titel „The Art of the Deal“ über eine Million Mal verkauft wurde. Jetzt erzählte er über seine Erfahrungen mit Trump: darüber, dass es einen Privatmann Donald Trump gar nicht gebe, dass Lügen seine zweite Natur sei, dass er in seiner ganzen Eitelkeit überaus dünnhäutig sei. In seinen Notizen zur Biografie schrieb Schwartz: „Trump steht für viele Dinge, die ich verabscheue: seine Bereitschaft, über Leute einfach drüberzufahren, seine geschmacklosen, schäbigen, gigantischen Obsessionen, sein völliges Desinteresse an allem, was über Macht und Geld hinausgeht.“ Wie gesagt: Schwartz hat Trump 18 Monate lang für sein Buch aus nächster Nähe beobachten können.

Psychologische Annäherungen an den exzentrischen republikanischen Präsidentschaftskandidaten findet man derzeit in vielen US-Publikationen. Im Magazin „The Atlantic“ (Juni-Heft) präsentierte der Psychologieprofessor Dan P. McAdams seine Skizze „The mind of Donald Trump“. Wie viele Beobachter sieht er im Narzissmus einen Hauptcharakterzug dieses Mannes, ebenso aber werde er von ständigem Zorn angetrieben: „Kombiniert mit einer gewissen Gabe für Humor (der auch aggressiv ausfallen kann), ist Zorn das Herzstück von Trumps Charisma. Und Zorn durchdringt seine politische Rhetorik.“ In dieser Rhetorik wird ganz bewusst mit der Furcht vieler US-Bürger vor Ansteckung, Vergiftung, Parasiten und dem Ekel vor Unreinheit gespielt.

Trump sieht sich auch als archetypischen „Kämpfer“ an – mutig, diszipliniert, gewandt: „Sein zentrale Lebensaufgabe ist es, für das zu kämpfen, was er für wichtig hält; seine typische Reaktion auf ein Problem ist, dieses für immer auszuschalten oder es niederzuringen; seine größte Furcht ist Schwäche oder Impotenz.“

Nur wie konnte es so weit kommen, dass eine politisch derart unerfahrene und persönlich so unsympathische Figur die Nominierung der Republikanischen Partei für das Präsidentenamt bekommen konnte? Der Publizist Jonathan Rauch hat ebenfalls in „Atlantic“ (Augustheft) einen hochinteressanten Essay geschrieben, in dem er erklärt „Wie die amerikanische Politik verrückt geworden ist“. Er sieht die US-Politik in einem chaotischen Zustand, wobei ideologische Polarisierung, der Siegeszug der sozialen Medien und die Radikalisierung der Republikanischen Partei die ganze Unordnung verstärken würden: „Donald Trump hat dieses Chaos nicht angerichtet. Das Chaos hat Trump zum Durchbruch verholfen.“

Rauch glaubt, dass die Reform des Nominierungsprozesses und der Parteienfinanzierung, die personellen Veränderungen im Kongress, die heutige Unmöglichkeit, überparteiliche Kompromisse hinter verschlossenen Türen zu fixieren und Budgetmittel ausgewogen zu verteilen, das politische System der USA krank gemacht hätten. Aber nicht nur: „Das größte Problem ist die reflexive, unvernünftige Feindschaft der breiten Öffentlichkeit gegenüber Politikern und dem politischen Prozess. Ein neurotischer Hass auf die politische Klasse ist die jüngste, allgemein anerkannte Form der Bigotterie im Lande.“ Rauch bezeichnet das als Anti-Establishment-Nihilismus. Der ist freilich nicht nur ein amerikanisches Problem.

E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

(Print-Ausgabe, 08.08.2016)

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