Die delikaten Beziehungen zwischen Ösis und Piefke

Ein Geschichtemagazin wird dem vielfältigen Verhältnis zwischen Österreich und Deutschland nicht gerecht.

Österreich und Deutschland oder „Ösis & Piefke“, wie das Geschichtemagazin „Zeitreise Österreich“ das Beziehungsgeflecht der beiden Nachbarn in der Mitte Europas salopp umschreibt – eigentlich ist das immer ein spannendes Thema. Denn das Verhältnis zwischen einem großen Land und einem kleineren Nachbarn, die beide dieselbe Sprache sprechen, ist immer eine höchstinteressante, komplexe und auch heikle Angelegenheit: siehe USA und Kanada, Großbritannien und Irland oder eben Deutschland und Österreich. Aber leider wird diese Ausgabe der „Zeitreise“ der Buntheit, Vielfältigkeit und Ambiguität solcher Beziehungen nicht gerecht.

Das Thema inspiriert haben zwei Jubiläen, die in der Öffentlichkeit nicht wirklich breit reflektiert worden sind: Seit 200 Jahren gehört Salzburg zu Österreich, und vor 150 Jahren wurden die Truppen der k. k. Nordarmee im nordböhmischen Königgrätz von preußischen Truppen vernichtend geschlagen. Gleich acht Beiträge in dem Heft widmen sich diesen beiden Jubiläen. Soll sein. Das Problem ist, dass in der ganzen Ausgabe Beiträge zur Militär- und Diplomatiegeschichte überwiegen, die deutsch-österreichische Beziehung vornehmlich als „Geschichte von oben“ dargestellt wird.

Zu kurz kommen dagegen die engen gesellschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Österreichern und Deutschen, das delikate psychologische Verhältnis. Nur am Rande erwähnt der Wiener Historiker Ernst Bruckmüller in seinem langen Einleitungsessay „gewisse latente Überlegenheitsposen auf deutscher und Minderwertigkeitsgefühle auf österreichischer Seite“. Dieses Manko können die Beiträge zum Kräftemessen auf dem Fußballplatz, zur Kulinarik, zum frühen Kino und ein Interview mit Felix Mitterer zur legendären „Piefke-Saga“ auch nicht wettmachen. Ratlos lässt den Leser auch ein Interview mit Außenminister Sebastian Kurz zurück: „Deutschland ist für uns ein sehr wichtiger Partner und Nachbar“, lautet der Kernsatz. Na so was . . .

Warum kein Beitrag über die Witze, die die beiden Nachbarn übereinander machen? Warum nichts über die deutschen Medien, die so stark nach Österreich hereinwirken und Diskussionen auslösen? Warum andererseits nichts über Österreicher, die seit Langem in Deutschland Karriere machen und gerade in der deutschen Medien- und Unterhaltungswelt ein Machtfaktor sind? Und, und, und. Wie gesagt, ein ungeheuer buntes, vielfältiges, doppelbödiges Thema.

Schwere Lesekost bietet auch die in Graz erscheinende Zeitschrift „WAS“, die ihre jüngste Ausgabe dem Themenkomplex Flucht-Grenzen-Asyl-Integration widmet. Die da gebotene Bandbreite reicht von der mittlerweile zur Mode gewordenen Merkel-Beschimpfung („rücksichtslose Humanitätspolitik“) bis zu der von der gebürtigen Wiener Holocaust-Überlebenden Ruth Klüger geäußerten Bewunderung für den Mut der deutschen Kanzlerin; durch sie sei Deutschland ein anderes Land geworden: „Eine ausgestreckte Hand statt der geballten Faust.“

Die Bandbreite reicht auch von dem von Hans Winkler als „sinnlose Beschwörungsformel“ kritisierten „Mantra von der europäischen Lösung“ bis zum Postulat von Rainer Münz: „Es braucht gesamteuropäische Lösungen, weil sich ein gemeinsames Grenz- und Visa-Regime von EU- und Schengen-Zone nicht mit bloß nationalstaatlichen Praktiken der Asylgewährung verträgt.“ In dem Heft wird aber nicht nur gelobt, geschimpft und kritisiert, der Diplomat Valentin Inzko präsentiert auch konkrete Lösungsansätze.

E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2016)

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