Mittelschule, Missstände und Mitsprache

Worum es in Wirklichkeit gehtZur Schuldebatte.
Tatsache ist, dass die Gesamtschule eine jahrzehntealte SPÖ-Forderung ist, weshalb all das Gerede, man wolle ein modernes Schulsystem, schlichtweg gelogen und ein Hohn ist. Mit der blinden Arroganz der Macht einer ideologisch motivierten Politik soll Gedankengut der 70er-Jahre gesetzlich verankert werden. Denn das alles ist nicht bloß ein Ringen um eine (Schul-)Verwaltungsreform, sondern vielmehr um das vorherrschende Menschenbild und um die demokratischen Werte in unserer Gesellschaft. Es steht weniger die Frage im Vordergrund, welche Schulart die bessere ist. Worum es in Wirklichkeit geht, ist die Wahlfreiheit der Menschen. Es geht um den alten Gegensatz von Individualität versus Kollektivismus.
Was viele nicht wissen, in Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es: „In erster Linie haben die Eltern das Recht, die Art der ihren Kindern zuteil werdenden Bildung zu bestimmen.“ Und um dieses Recht wirksam werden zu lassen, bedarf es der Vielfalt des schulischen Angebots – öffentlich und privat. Was Schmied will, ist nichts anderes, als dieses Recht der Menschen auszuhöhlen statt es zu stärken. Soll es doch Gesamtschulen geben – aber nicht statt, sondern allenfalls neben bestehenden Schultypen. Und nur freiwillig an einzelnen Schulstandorten und nicht in sogenannten Modellregionen, die ja nur der flächendeckenden Einführung vorangehen sollen. Dann werden die Nutznießer dieser Schulen – Schüler, Eltern und Lehrer – mit der Zeit entscheiden, welche Schule ihnen zusagt und welche nicht.
Schulen können und sollen – vergleichbare finanzielle Dotierung vorausgesetzt – in einen fairen Wettbewerb um die besten Lehrer und Schüler treten. Das fördert Ideen und kreative Lösungsansätze für die an jedem Schulstandort unterschiedlichen Anforderungen und Probleme. Dagegen steht der Wunsch nach Zentralismus. Er entspringt dem Wahn, Wahrheit entdeckt zu haben und sie allen Menschen aufoktroyieren zu wollen. Politik aber sollte immer an dem Maßstab gemessen werden, ob sie die Freiheit der Menschen erhöht oder senkt.

Dr. Tomas Kubelik
3110 Neidling

Verstockte, konservative FrontWir befinden uns im Jahre 2007 n. Chr. Ganz Europa ist von der gemeinsamen Mittelschule überzeugt... Ganz Europa? Nein! Eine von uneinsichtigen Bildungspolitikern bevölkerte Partei hört nicht auf, den pädagogischen Schulversuchen Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die Bildungsministerin, die gegen eine verstockte, konservative Front steht, da diese eine pädagogische Notwendigkeit nicht zulassen will.

Wolfgang Domenig
9020 Klagenfurt

Zug zurück zum MinoritenplatzIch würde gerne die Diskussion um die „neue Mittelschule“ wieder auf eine sachliche Ebene zurückführen. Bisher weiß ich nur, dass diese Schulform für die gemeinsame Ausbildung aller 10- bis 14-Jährigen zur Verfügung stehen soll. Weiters, dass sowohl AHS-Professoren als auch Hauptschullehrer gemeinsam den Unterricht gestalten werden. Auch die Geschichte von der Kostenneutralität ist mir noch im Ohr. So weit, so gut.

Interessant wird es, wenn es um den Lehrplan für diese neue Schulform geht. Welche Formen der Oberstufe werden im Anschluss an diese neue Unterstufenform möglich sein? Wie sieht dies mit Gegenständen wie Latein aus? Es ist davon die Rede, dass auf der einen Seite Schüler mit den unterschiedlichsten Lernfähigkeiten in einer Klasse zusammengefasst werden. Auf der anderen Seite will man den einzelnen Schüler individuell fördern. Individualität und Heterogenität verhalten sich für mich wie Feuer und Wasser. Um dies erreichen zu können, müssten pro Schulstunde mindestens zwei Lehrkräfte sowie zwei Klassenzimmer zur Verfügung stehen. Dies vor allem vor dem Hintergrund der Kostenneutralität.

Der Kommentar zum Gesetz lässt die Auslegung zu, dass der Aufstieg in die 9. Schulstufe auch dann zu gewähren ist, wenn der/die SchülerIn in den Gegenständen Mathematik, Deutsch und Lebende Fremdsprache mit einem Befriedigend die 8. Schulstufe abschließt, in allen anderen Gegenständen aber negative Noten hat.

Die deutsche Bildungsministerin hat bestätigt, dass Länder mit den meisten Gesamtschulen beim letzten Pisa-Test am schlechtesten abgeschnitten haben.

Ich kann nur hoffen, dass der Zug zum Minoritenplatz zurückbeordert wird, um vor einer neuerlichen Ausfahrt endlich den Fahrplan zu erarbeiten.

Stefan Mandahus
Präsident des Hauptverbandes der EV an kath. Privatschulen in Österreich

Schulgebäude weiß streichen?Danke für die gelungene Karikatur von Ironimus vom 30. Oktober! Er zeigt, wie mit einem Schlag sämtliche Probleme in und um die Schule lösbar sind – oder doch nicht? Denn wer „ist“ Schule, wenn nicht SchülerInnen, LehrerInnen, DirektorInnen? Und wie ist Schule, wenn, um ein kleines Beispiel in der großen Zahl der LehrerInnen in Niederösterreich zu nennen, eine AHS-Lehrerin nach zwölfjähriger Arbeit an einem Gymnasium in Niederösterreich eine Woche vor Ferienbeginn mitgeteilt bekommt, sie habe im Herbst ihren Dienst in Vorarlberg anzutreten? Ein derartiger Umgang mit Menschen zeigt, dass die Schule krank ist und krank machen muss.

Wen das am meisten (be)trifft, ist klar: (unsere) Kinder, denen wir doch nur Gutes mitgeben wollen. Unsere wachen, hellhörigen Kinder, die viel mehr um die Missstände wissen, als uns – gewöhnt daran – vielleicht lieb ist. Aber lassen wir die Dinge, wie sie sind, das ist bequemer. Oder gehen wir daran, die Schulgebäude weiß zu streichen, ganz im Sinne von Max Frisch, in dessen Stück „Andorra“ es heißt: „Weißelt, ihr Jungfrauen, weißelt das Haus eurer Väter, auf daß wir ein weißes Andorra haben, ihr Jungfraun, ein schneeweißes Andorra!“

Mag. Roswitha Springschitz
3920 Groß Gerungs

Rechnung zahlt die JugendGeschafft! Nachweis gelungen, dass es 25 EU-Staaten falsch machen und Österreich den richtigen Weg geht. Damit bleiben auch Standesdünkel und Parteilinie (nur ja kein Erfolg für den anderen) einzementiert. Die Rechnung zahlt allerdings die Jugend mit eingeschränkten Bildungschancen. Im internationalen Ranking wird neben den laufenden Rückstufungen Österreichs Richtung Schlusslicht (v. a. Raucherregelung, Budgetdefizit) ein weiterer Abstieg programmiert. Nur so weiter!

DI Robert Pick
1190 Wien

Schulpolitik mit uns!Liebe Frau Unterrichtsminister! „Quot capita, tot sensus!“ schreibt Terenz vor mehr als 2000 Jahren in seinem Phormio. Es ist beeindruckend, welche Bedeutung dieses „Wie viele Köpfe, so viele Meinungsunterschiede!“ auch aktuell wieder hat, wenn man die Bildungsdiskussion der letzten Tage, Wochen und Monate verfolgt – wobei der Begriff „Diskussion“ wohl übertrieben scheint: Denn während Sie, liebe Frau Minister, offenbar eine vorgefertigte, unabänderbare Meinung haben, was das Nonplusultra Gesamtschule betrifft, scheinen da manche Ihrer KollegInnen anderer Meinung zu sein.

Eines ist mir völlig unklar: Warum fragen Sie nicht jene, die mit Schule zu tun haben, jene die Schule sind – SchülerInnen und LehrerInnen? In unserer Schule wurde noch niemals jemand zu diesem Thema befragt, weder SchülerInnen noch LehrerInnen. Natürlich ist „Schule neu“ wichtig, und wir Lehrer haben auch viele Ideen dazu, ebenso wie die Schüler. Es macht keinen Sinn, über all jene, die es betrifft, einfach „drüberzufahren“. Es macht doch keinen Sinn, wenn irgendwelche Ministerialbeamte, die noch nie in einer Klasse gestanden sind, dort völlig unrealistische, nicht durchführbare Dinge beschließen. Dass Kompromisse auf allen Seiten notwendig sind, ist selbstverständlich. Liebe Frau Minister, machen Sie doch mit uns Schulpolitik und nicht gegen uns! In diesem Sinne, ein (noch) motivierter Lehrer.

Prof. Bernd Langensteiner

4451 Garsten

Studierfähigkeit geht verloren„Es sei euch eine Leere!“, von Stefan Winterstein, Spectrum, 27. Oktober
Der Kritik von Stefan Winterstein an der „Modularen Oberstufe“ kann ich aus der Sicht eines Pädagogen nur Recht geben. Im Sesselkreis sitzend erwerben wir die nötige Sozialkompetenz, um den Beamer konfliktfrei bedienen zu können. Die Inhalte, an und mit denen das geübt werden soll, sind gendermäßig auf sogenannte Bildungsstandards reduziert und darüber hinausgehende Inhalte willkürlich wählbar, sodass sich der gesellschaftliche Grundkonsens über Allgemeinbildung in der Beliebigkeit verflüchtigt. Letztlich geht dabei – wie die Misserfolgsquote bei Universitätsaufnahmetests zeigt – die Studierfähigkeit verloren. Zur Ehrenrettung meines Berufsstands möchte ich aber hinzufügen, dass die Initiative zu diesen „Reformbestrebungen“ großteils von Ministerium und Stadtschulrat unter Ausnützung überkommener hierarchischer Strukturen mit starkem institutionellem und dienstrechtlichem Druck betrieben wird.

Mag. Gerhard Spangl

1160 Wien

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2007)

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