Präsident Mursi hat einen wichtigen Schritt zu einem zivilen Ägypten gesetzt. Aber ist es auch ein Schritt zu einem demokratischeren Land?
Er galt als starker Mann Ägyptens, als mächtiger Puppenspieler, der im Hintergrund die Fäden zog. Alle Politiker, die in den vergangenen eineinhalb Jahren in Ägypten regierten, waren nicht viel mehr als die Marionetten des betagten Militärchefs. Damit ist es nun vorbei: Die Puppen marschieren nicht mehr so, wie Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi es befiehlt.
Präsident Mursi hat mit seinem Überraschungsschlag lautstark Anspruch auf die Oberhoheit über die Armee erhoben. Das könnte Ägypten in neues Chaos stürzen. Doch grundsätzlich war die Maßnahme richtig: Auch in Ägypten muss der Primat der Politik über das Militär gelten. Tantawi und seine Männer hatten 2011 Mubarak gestürzt, um an der Macht zu bleiben - dort, wo Generäle nicht hingehören.
Mursi hat einen mutigen Schritt auf dem Weg zu einem zivilen Ägypten gesetzt, in dem gewählte Politiker die Richtung vorgeben und nicht das Militär. Ob es - sofern Mursi Oberhand behält - ein Schritt zu einem demokratischeren Ägypten war, ist aber offen: Wenn sie die Armee unter ihre Kontrolle bekommen, erhalten Mursis Muslimbrüder Kontrolle über die gesamte Macht im Staate. Wie behutsam sie damit umgehen, muss sich erst zeigen.
wieland.schneider@diepresse.com