Trügerisches Machtgefühl

Die EU muss sich einmischen, sobald ein Staat wie Ungarn gemeinsame Regeln verletzt.

Er hat hoch gepokert und ist tief gefallen: Nach dem ungarischen Verfassungsgericht erklärte auch der EuGH Orbáns Gesetz zur früheren Pensionierung von Richtern völlig zu Recht für unzulässig.

Es war das trügerische Gefühl der Allmacht, bedingt durch eine haushohe Mehrheit im Parlament, das Ungarns Premier zu der umstrittenen Verfassungsreform verleitete. Doch er hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die Kommission strengte drei Vertragsverletzungsverfahren gegen Budapest an. Aus gutem Grund: Als Mitglied einer Staatengemeinschaft muss sich Ungarn an die im Vertrag definierten Regeln halten.

Auch für die Entscheidungsträger der Union sollte der Fall ein Lehrstück sein: Kommission und Mitgliedstaaten müssen die Einhaltung der Verträge durch die 27 Regierungen genau überwachen. Beitrittskandidaten sollten strenger auf ihre Mitgliedsreife überprüft werden. Nur so kann Druck auf die betreffenden Länder ausgeübt werden, die Justiz- und Rechtssysteme in Ordnung zu bringen.

Gewiss: Die Einmischung in nationale Angelegenheiten durch die EU darf in manchen Bereichen hinterfragt werden. Aber dort, wo Demokratie und Rechtsstaat gefährdet sind, muss ein Ordnungsruf nicht Recht, sondern Pflicht sein.

anna.gabriel@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2012)

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