Franziskus, einsamer Rufer in der Wüste

Der Papst bekennt sich deutlich wie nie zu Reformen in der Kirche.

Wann hat je ein Papst, noch dazu in einem hochoffiziellen Schreiben, davor gewarnt, die Christen könnten sich „allmählich in Mumien für das Museum verwandeln“? Wann hat ein Bischof von Rom kirchliche Normen gegeißelt, die Priester in „Kontrolleure“ statt Förderer der Gnade, in „unnachsichtige Richter“ verwandeln oder die Religion insgesamt „in eine Sklaverei“? Wann? Am Dienstag, als Franziskus sein Apostolisches Schreiben „Evangelii gaudium“ (Freude des Evangeliums) veröffentlichen ließ.

Letztlich überrascht es dann doch, dass Franziskus die Öffentlichkeit und Katholiken noch immer zu überraschen vermag. Indem er nachlegt und mit noch größerer Leidenschaft und Intensität für Reformen der katholischen Kirche wirbt. Auch wenn er in etlichen, nicht unwichtigen Punkten offenlässt, wie diese ganz konkret aussehen sollen. Oder zunächst offenlässt?

Dieser Papst vom anderen Ende der Welt, der sich weigert, im Apostolischen Palast zu wohnen, ist für nicht wenige mehr oder weniger zentrale Spieler in der katholischen Kirche eine ständige Provokation. Sie begleiten vieles, was der Papst sagt und tut, mit Häme. Und rühren keinen Finger. Der Papst muss derartige Widerstände brechen. Franziskus gerät sonst in Gefahr, zum Rufer in der Wüste zu werden. Oder anders: zum Rufer, den viele hören und dem viele applaudieren. Den aber letztlich niemand erhört.

dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2013)

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