Chinas Korruptionskampf wird unglaubwürdig.
Fast schon wirkt es wie ein Streich der Geschichte. Ausgerechnet an dem Tag, an dem der wohl allzu engagierte Korruptionsjäger Xu vom Regime vor Gericht gestellt wurde, wurden geheime Offshore-Konten der KP-Kader und ihrer Familien publik. Und das mitten in dem von Staatschef Xi höchstpersönlich angeführten Krieg gegen Korruption, Dekadenz und Gier.
Selten zuvor wurde die Führung so sehr entblößt. Selten war sie so unglaubwürdig: Steuer- und Kapitalflucht sind in der Volksrepublik strafbar, und vielleicht hat sich sogar Xis Schwager dessen schuldig gemacht. Wird nun der Präsident gegen Familie, Kollegen und deren Angehörige vorgehen? Wohl kaum. Die Führung setzte stattdessen auf die gewohnte Vogel-Strauß-Politik und blockierte das Internet. Eine naive Reaktion im Webzeitalter. Die Nachricht verbreitete sich trotz Firewall wie ein Lauffeuer und wird noch für Schaden sorgen: Korruption und Selbstbereicherung sind laut Umfragen die bei Chinesen meistverhassten sozialen Übel.
Die OffshoreLeaks zeigen: Das System der Selbstbereicherung – von Steuerhinterziehung über Kapitalflucht bis zu Korruption – ist in China allgegenwärtig. Wer sich nahe der Macht befindet, versucht, sich daran zu bereichern. Wer nicht so nahe dran ist, braucht Beziehungen, um etwas abzubekommen. Einige verurteilte korrupte „Tiger“ oder Ferrari-Verbote für Kader werden daran wenig ändern. Wäre es Xi ernst mit seinem Kampf gegen Korruption, würde er nicht nur die Symptome bekämpfen, sondern die Wurzeln des Problems: Die einzigen wirkungsvollen „Medikamente“ sind unabhängige Kontrollorgane. Aber die will Xi gar nicht.
susanna.bastaroli@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2014)