Ohne Polemik geht es nicht. Schon gar nicht beim Thema Zuwanderung. Leider.
Ohne Polemik geht es nicht. Schon gar nicht beim Thema Zuwanderung. Leider. Und doch staunte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zuletzt über das Niveau der differenzierten und nicht von fremdenfeindlichen Tönen dominierten Debatte zur Schweizer Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung". Man würde sich eine solche Debatte in Österreich wünschen, ausgewogen und eben nicht ausschließlich vom linken und rechten Rand geführt, weil die politische Mitte nichts zu sagen hat oder nichts zu sagen wagt.
So weit die gute Nachricht. Die schlechte kam dann von den Urnen, als die Schweizer denkbar knapp dafür stimmten, dagegen zu sein, also gegen „Masseneinwanderung" (auch und vor allem aus den EU-Ländern). Das Votum wird den Beziehung zwischen der Schweiz und der Europäischen Union schaden - und dadurch auch der Schweiz selbst, für die ihr privilegierter Zugang zum EU-Binnenmarkt unersetzlich ist.
Hysterische Reaktionen aus Bern und Brüssel wären dennoch ein Fehler. Ein wenig hat sich die EU das Abstimmungsergebnis auch selbst zuzuschreiben. Die Initiatoren der populistischen SVP ließen nämlich nie so genau durchblicken, wie sie sich das mit ihren (planwirtschaftlichen) Ausländerkontingenten anstelle der EU-Personenfreizügigkeit genau vorstellen. Ein geschickter Schachzug. Auch die EU ließ die Schweizer im Ungewissen über ihre Reaktion. Die Kommission erschöpfte sich in vagen Andeutungen - und setzte sich damit schachmatt.
Denn die Abstimmung muss sich so für die Eidgenossen, trotz aller Warnungen von Wirtschaft, Gewerkschaft und allen Parteien mit Ausnahme der SVP, ziemlich konsequenzenlos angefühlt haben. Da geht in der Wahlkabine der diffuse Protest gegen die massive Zuwanderung - fast jeder vierte Bewohner hat keinen Schweizer Pass - natürlich leichter von der Hand.
juergen.streihammer@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2014)