Der Manager als Schwarzfahrer

Er verdiente als Fondsmanager etwa eine Million Pfund pro Jahr – aber für die öffentlichen Verkehrsmittel hatte Jonathan B. kein Geld.

Er besitzt einen Porsche, einen noblen Range Rover, einen billigeren Land Rover Freelander (mit den Autos fährt er aber offenbar nur am Wochenende), hat zwei ausbezahlte Häuser im Wert von vier Millionen Pfund, verdiente als Fondsmanager etwa eine Million Pfund pro Jahr – aber für die öffentlichen Verkehrsmittel hatte Jonathan B. kein Geld (oder er hatte es in Wirklichkeit gar nicht so dick und musste sparen).

Wie auch immer: Jonathan B. fuhr also in Großbritannien jahrelang schwarz. Das wäre keine große Sache, hätte sich nicht die „Daily Mail“ des Falls angenommen. In einem großen Artikel samt dreier Fotos, die den 44-Jährigen beim Besteigen „seines“ Zuges zeigen, berichtete das Boulevardblatt über den „größten Schwarzfahrer der Geschichte“. Dabei fuhr der Manager nicht schwarz in unserem Sinn, sondern zahlte nur weniger: statt 21,50 Pfund pro Tag für Zug und U-Bahn nur 7,20. Im Lauf seiner Halb-Schwarzfahrerkarriere läpperte sich das zu beachtlichen 43.000 Pfund zusammen.

Finanzierte er damit die Autos, war er geizig, oder verstand er einfach das komplizierte Zonensystem Londons nicht? Man weiß es nicht. Sein Motiv enthüllte B. nicht, als er schließlich erwischt wurde. Aber er bezahlte die Strafe und die Ticketdifferenz für fünf Jahre. Die Causa schien erledigt.

Mitnichten: Nach dem Mail-Bericht rebellierten die Passagiere (zumindest laut Mail: „Sind wir ehrlichen Zahler völlige Idioten?“), die Finanzmarktaufsicht ermittelte, weil es B. „offenbar an Redlichkeit mangelt“ und man ja nicht wisse, was er sonst noch angestellt habe (ist Schwarzfahren ein Einstiegsdelikt?), und schließlich feuerte ihn sein Arbeitgeber, der Vermögensverwalter Blackrock, weil B.s Verhalten „völlig unseren Prinzipien und Werten widerspricht“.

In Wien wurden im vergangenen Jahr 138.000 Schwarzfahrer ertappt. Von Rücktritten von Geschäftsleuten oder Politikern als Folge ist nichts bekannt. „Krone“ und „Österreich“ lassen ganz offensichtlich ziemlich aus.

E-Mails an:norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2014)

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