Raus aus dem verdammten Netz

Brüssel will Providern die Vermarktung von Internetuser-Daten verbieten. Gut so, aber warum soll der Staat eine Ausnahme erhalten?

Wie wäre Ihr Gefühl, wenn Sie ein Sicherheitsbeamter zu jedem Einkauf, zu jeder Ausstellung begleitete? Wenn er aufschriebe, was Sie läsen, für wen Sie sich interessierten, mit wem Sie redeten? Im normalen Leben ist für uns unvorstellbar, was im Internet bereits gang und gäbe ist: die totale Überwachung.

Die EU-Kommission schiebt nun immerhin den Internetprovidern einen Riegel vor. Sie dürfen ihre User-Daten nicht für gezielte Werbezwecke vermarkten. Das ist mit Sicherheit ein guter Schritt. Doch muss auch die Frage gestellt werden, warum der Wirtschaft hier etwas verboten werden soll, was dem Staat ausdrücklich erlaubt wird. Wo bleibt unsere individuelle Freiheit, wenn Polizeibehörden künftig überprüfen dürfen, welches Bürgerforum wir unterstützen, welche Zeitung wir lesen, welchen Facharzt wir suchen?

Eigenartig ist es schon, wenn Brüssel auf der einen Seite der Wirtschaft eine Datenweitergabe verbietet und andererseits Länder wie Österreich drängt, die Vorratsdatenspeicherung zur Verfolgung von verdächtigen Personen bei Internet und Mobiltelefonie endlich umzusetzen. Daten bedeuten Macht und Geld – gleich, wer sie erhält und wer sie speichert. Gibt es keine starke Gegenbewegung der Datenschützer, so wird sich das Netz bald eng um uns spannen – egal, ob wir Terroristen oder „brave“ Bürger sind. Irgendwann wird es ausreichen, die falsche Internetseite angeklickt oder die falsche Nummer gewählt zu haben.


wolfgang.boehm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.