Bibi Netanjahus hoher Preis

Israels Premier erkaufte sich die Koalition teuer.

Benjamin Netanjahu setzte ein gequältes Lächeln auf, als er nach 42 Tagen eine Stunde vor Ablauf des Ultimatums doch noch eine wacklige Koalition präsentierte, die nur über eine Mehrheit von einer einzigen Stimme in der Knesset verfügt – eine Regierung mit baldigem Ablaufdatum, wie Israels Opposition zu Recht unkt. Der Wahlsieger war in den Koalitionsverhandlungen zum Verlierer mutiert, ausgeliefert den Erpressungsversuchen der Ultrareligiösen und Ultranationalisten, die für ihre Klientel das Maximum herausholten.

Der Premier bezahlte einen hohen, vermutlich einen zu hohen Preis für den Sieg seiner Likud-Partei. Nach zwei Jahren hatte Netanjahu eine Neuwahl vom Zaun gebrochen, um seine unliebsamen Koalitionspartner aus dem liberalen Spektrum loszuwerden. Um seine Wiederwahl zu sichern, hat er alle Tricks ausgereizt: Sein Auftritt im US-Kongress als Mahner vor einem Atomdeal mit dem Iran brachte die Obama-Regierung endgültig gegen ihn auf; sein populistischer Aufruf gegen einen Palästinenserstaat gewann zwar Stimmen vom rechten Rand und dem Siedlerlager, doch verspielte er so sein Ansehen.

Netanjahu steht einer Schmalspurkoalition vor, die national wie international einen schweren Stand haben wird – einer Regierung des Stillstands und Rückschritts. Der gewiefte Taktiker nahm das Risiko in Kauf, und sein Kalkül ging auf. Als Stratege und Staatsmann ist er indes gescheitert: Israel wird weiter ins Abseits driften – und keiner wird Bibi zu Hilfe kommen.

Emails an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2015)

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