Revolutionäre, die die Revolte fürchten

Irans Führer steht vor einem Dilemma: Macht er den Reformern keine Zugeständnisse, riskiert er den Aufruhr. Tut er es, riskiert er Wandel.

Die Kinder der Revolution rebellieren: Trotz eindringlicher Verbote der Behörden gingen in Teheran auch am Montag wieder zehntausende Anhänger des Oppositionsführers Mir Hussein Moussavi auf die Straße (die Proteste sind mittlerweile ein globales Phänomen: Heute, um 17Uhr, demonstrieren die Austro-Iraner auf dem Heldenplatz). In Teheran versammelten sich die Demonstranten wieder auf dem Enghel?b-Platz. Ein symbolträchtiger Ort: Enghel?b heißt auf Persisch Revolution.

Paranoia treibt die ehemaligen Aktivisten der islamischen Revolution und jetzigen Machthaber um: Nichts fürchtet ein Revolutionär mehr als die Revolte. Die Krawalle nach den Präsidentenwahlen in Teheran machen den Vertretern des Regimes Angst – sie wissen nur zu gut, mit welchen Mitteln sie selbst in ihrer Jugend den Schah von Persien aus dem Land gejagt haben. Die Kinder der Revolution greifen bewusst auf die Symbolik der Revolutionäre zurück.

Neben dem Ringen auf Teherans Straßen ist nun in den Machtzirkeln ein offener Machtkampf ausgebrochen. Die Reformer üben Druck auf Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei aus. Khamenei muss abwägen: Kommt er Moussavis Anhängern nicht entgegen, riskiert er die völlige Diskreditierung der Islamischen Republik bei einem großen Teil der Bevölkerung. Entschließt er sich zu Zugeständnissen, so muss er fürchten, dass die Reformer das Land modernisieren – auch das könnte das Ende der Islamischen Republik bedeuten.


thomas.seifert@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2009)

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