Wer hätte gedacht, dass sich die einst so pragmatische Angela Merkel, die über Nacht das Ende der Atomkraft in Deutschland dekretierte, einmal noch so prinzipienfest zeigen würde?
Ihr Vizekanzler, SPD-Chef Sigmar Gabriel, fürchtet nämlich – von Siemens-Chef Joe Kaeser angestachelt – im Wettlauf für iranische Milliardenaufträge ins Hintertreffen zu geraten. Vor der Sanktionenära war Deutschland Handelspartner Nummer eins für den Iran.
Im Juli war der deutsche Wirtschaftsminister der Erste, der nach dem Wiener Atom-Deal nach Teheran reiste, um die Nase vorn zu haben. Dann gaben sich die Außenminister Italiens und Frankreichs die Klinke in die Hand, um beim dieswöchigen Besuch des iranischen Präsidenten, Hassan Rohani, in Rom und Paris den Lohn für ihre Lobbyarbeit zu ernten.
Gabriel drängt auf eine Rohani-Visite in Berlin, Merkel prangert indes die antiisraelischen Töne und die Menschenrechtsverletzungen des Mullah-Regimes an. Den Aufschrei der deutschen Wirtschaft nimmt sie in Kauf. Wie in der Flüchtlingskrise gilt der Pastorentochter das Luther-Credo als Leitmotiv: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2016)