Nicht nur Glyphosat, auch das potenziell tödlich wirkende Natriumchlorid essen wir täglich.
Natriumchlorid ist eine chemische Substanz, die schon in kleinen Mengen tödlich wirken kann. Etwa in jenem tragischen Fall aus dem Jahr 2005, als eine Vierjährige in Deutschland das in der Küche gelagerte weiße Pulver mit Zucker verwechselte und zwei Esslöffel davon in ihren Schokopudding rührte. Sechs Löffel hätten auch einen erwachsenen Mann innerhalb weniger Stunden getötet, erklärten Wissenschaftler damals.
Dennoch gibt es kaum ein Nahrungsmittel, das ohne Natriumchlorid zubereitet wird. Täglich nehmen Erwachsene im Schnitt acht bis zehn Gramm – also etwa ein Zehntel der tödlichen Menge – zu sich. Das ist deutlich mehr, als Mediziner als absolute Höchstmenge empfehlen. Die Folgen dieser konstanten Überdosierung mit Natriumchlorid sind laut Studien verheerend. Eine Untersuchung der Universität von San Francisco kam zu dem Schluss, dass eine Reduktion um ein Drittel jedes Jahr fast 100.000 Herzinfarkte und 66.000 Schlaganfälle in den USA verhindern könnte.
Natriumchlorid ist übrigens der chemische Name von Kochsalz. Und wie schon der Schweizer Arzt und Philosoph Paracelsus gesagt hat, macht die Dosis das Gift. Das gilt für Salz. Das gilt für Glyphosat. Das gilt auch für öffentliche Diskussionen über Chemie und Grenzwerte – wenn notwendige Skepsis in Hysterie umschlägt.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2016)