Griss und die geheimen Pläne einer Militärjunta

Einspruch, Frau Ex-Präsidentin!

Die Bundespräsidentenwahl lässt bei den Kandidaten im Wahlkampf die Fantasien blühen wie der nahende Frühling. Beim selbst ernannten Kandidatenkasperl Richard Lugner überrascht das nun wirklich nicht, bei der ehrenwerten früheren Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Irmgard Griss, hingegen schon. Bei der ersten Diskussion aller fünf aussichtsreichsten Anwärter, zu der die überparteiliche Initiative Bürgersalon Wien und „Die Presse“ am Freitagabend geladen hatten, betonte die Kandidatin, wenn man sehe, „das wird eine Diktatur“, habe der Bundespräsident nur die Möglichkeit, als eine Art Weckruf zurückzutreten.

Österreich eine Diktatur im Lauf der nächsten Amtsperiode von sechs Jahren? Weiß Griss von geheimen Militärjunta-Plänen, die allen verborgen geblieben sind? Macht Nordkorea Österreich zu seiner Teilprovinz? Vertrauensbildend sind derart abstruse Gedankenspiele gerade bei einer früheren Höchstrichterin nicht. Für Griss ist der ehemalige Bundespräsident Rudolf Kirchschläger Vorbild. Auch ein ehemaliger Richter, wie Griss für sich werbend ergänzt. Der Bundespräsident soll bei einer Diktatur von selbst weichen? Einspruch, Euer Ehren! Da besteht ein Riesenunterschied zwischen einem untadeligen, peniblen früheren Staatsoberhaupt und einer wild fantasierenden Möchtegernnachfolgerin – auch wenn beide Richter waren.

karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2016)

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