Tiflis, Moskau und ein törichter Krieg

Russland und Georgien interpretieren den EU-Bericht zum Fünftagekrieg 2008 jeweils so, dass sie ihr Gesicht wahren können.

Ätsch, die EU bestätigt jetzt, dass Georgien den kaukasischen Füntagekrieg im August 2008 begonnen hat und dass der russische Verteidigungseinsatz völlig berechtigt war, heißt es triumphierend in Moskau. Ätsch, die EU beweist nun, dass Russland sich schon lange vor dem August 2008 auf einen Waffengang gegen Georgien vorbereitet hat, frohlockt man in Tiflis.

Aber so ist es fast immer mit internationalen Untersuchungsberichten: Die Konfliktparteien picken sich das heraus, was ihnen passt und was sie das Gesicht wahren lässt. Der Streit darüber, wer die größere Schuld an diesem törichten Krieg, der hunderte Todesopfer und verwüstete Städte und Landstriche hinterlassen hat, trägt, kann weitergehen.

Klar ist: Moskau hat seinen Gottseibeiuns, den georgischen Heißsporn Michail Saakaschwili, vor dem August 2008 wieder und wieder provoziert. Und der war dumm genug, sich provozieren zu lassen – und ist den Russen mit dem Angriff auf Zchinwali ins offene Messer gelaufen. Dass Russland die Gelegenheit dann eiskalt genutzt hat, um Teile des georgischen Kernlands zu besetzen, und dass dort die russischen Truppen getötet, geplündert und gebrandschatzt haben, das steht übrigens auch in dem Bericht. Aber das will man in Moskau nicht an die großen Glocke gehängt sehen.

Für Saakaschwili und seine Ambitionen, sein Land in die Nato und in die EU zu führen, ist das EU-Verdikt ein Rückschlag. Er steht vor der Welt mit heruntergelassener Hose da. (Bericht: Seite 7)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2009)

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