Ab jetzt Teleprompter statt Twitter!

Sechseinhalb Wochen nach seiner Angelobung hat Donald Trump eine völlig neue Rolle für sich entdeckt. Bei seiner Rede vor dem Kongress ist er zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt tatsächlich wie ein Präsident aufgetreten.

Er schaffte es eine ganze Stunde lang, Journalisten nicht als Volksfeinde zu denunzieren, niemanden zu verunglimpfen, bizarre Selbstbespiegelungen zu unterlassen, auf Schwarzmalerei zu verzichten und keine neue diplomatische Krise vom Zaun zu brechen.

Inhaltlich blieb er auf Linie: Er versprach wieder eine Mauer an der Grenze zu Mexiko, schärfere Einreisebestimmungen, mehr Geld für die Armee, eine neue protektionistische Handelsära und eine Rückabwicklung der Gesundheitsreform. Doch er mäßigte sich im Ton und rief die Opposition mehrmals zur Zusammenarbeit auf.

Das reichte schon, um das Publikum zu verblüffen. Trump kann also auch anders, wenn ihm jemand die richtigen Wörter für den Teleprompter aufschreibt. Gefährlich wird der Mann vor allem, sobald er improvisiert. Möglicherweise hat ein Berater den US-Präsidenten mit einem Kalender in der Hand überzeugt, dass der Wahlkampf ein Weilchen vorbei ist und es nach den chaotischen Anfangswochen keine schlechte Idee wäre, mit dem Regieren zu beginnen, Pläne durchzudenken und mit der Wirklichkeit abzugleichen.

Zu früh sollte sich allerdings niemand freuen. Trump wird kaum für den Rest seiner Amtszeit vorbereitete Redetexte ablesen, sich vom Saulus zum Paulus wandeln und seine Positionen aufgeben. Aber es wäre schon ein Fortschritt, wenn er sich hin und wieder ein Blatt oder einen Teleprompter vor den Mund nähme.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2017)

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