Wladimir Putins Versäumnisse

In Russland wackelt durch die Krise der „Gesellschaftsvertrag“ zwischen Regierung und Bevölkerung. Das bedroht den sozialen Frieden.

Die Regierung sorgt dafür, dass ihr genug auf dem Teller habt und sich euer Lebensstandard kontinuierlich verbessert – ihr seid dafür politisch abstinent und haltet den Mund: Das ist, salopp formuliert, der inoffizielle „Gesellschaftsvertrag“, den Russlands starker Mann Wladimir Putin mit der Bevölkerung geschlossen hat. In den Boomjahren seit 2000 hat das gut funktioniert. Nur Anfang 2005 passierte ein Betriebsunfall, als Putin 40 Millionen Bürgern noch aus der Sowjetzeit stammende Vergünstigungen streichen wollte. Nach einer anschwellenden Protestwelle wich der Kreml blitzschnell zurück.

Dann kam die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, und für die Führung in Moskau wurde es schwierig, ihren Teil des „Vertrages“ einzuhalten. Russlands Wirtschaft schrumpfte 2009 um fast acht Prozent, die Zahl der Arbeitslosen beträgt bereits über sechs Millionen, die Verbraucherpreise steigen und steigen. Das dörfliche Russland merkte ohnedies wenig vom Boom, die Monoindustriestädte traf die Krise voll – und die Exklave Kaliningrad sieht sich von Moskau schon lange vernachlässigt.

Da hat sich viel sozialer Sprengstoff angehäuft. „Das Fernsehen sagt uns stets, alles sei okay, aber wir sehen doch selbst, dass das nicht stimmt“, beklagte sich einer von 10.000 regierungskritischen Demonstranten in Kaliningrad. So könnten sich Putins Versäumnisse rächen: etwa, dass er nur an die Entwicklung der großen Städte und nicht des ganzen Landes gedacht hat. (Bericht: Seite 5)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2010)

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