Bald mehr als Theater-Shopping!

Hinterhäuser und Langhoff könnten die Wiener Festwochen (wieder) zu einem aufregenden Festival machen.

Die Entscheidung mag nicht allzu transparent getroffen worden sein, aber sie ist originell und gut. Sie steht für Erneuerung. Und die haben die Wiener Festwochen notwendig. Dass sie in den letzten Jahren immer mehr zu einem Theaterfestival - mit einer kargen und lieblos betreuten Musikschiene - geworden sind, wäre ja noch nicht so schlimm: Es ist in Ordnung, dass sich Festivals auf eine Kunstsparte konzentrieren. Obwohl man schon mit Wehmut an Zeiten zurückdenken darf, als die Festwochen noch große, prägende Ausstellungen brachten. Als Festivals des avancierten Pop („Töne/Gegentöne") Maßstäbe für das Konzertleben setzten.

Schlimmer ist, dass die Auswahl der Stücke in letzter Zeit eher nach einer Einkaufstour durch die internationale (Off-)Theater-Szene aussah als nach einem inspirierten Konzept. Nach einer bestens dotierten Einkaufstour freilich: Die Menge an Inszenierungen war stets beeindruckend, die Qualität nicht immer. Und wenn einmal eine Produktion gut bei Kritik und Publikum ankam, gab es keine Karten mehr. Dazu kam die Aura von (postmoderner) Beliebigkeit: Auch Kulturfreunde, die nicht sonderlich patriotisch denken, fragten sich oft, was denn das spezifisch Wienerische an diesem Programm sei.

Die neue Intendanz wird gut daran tun, etwas weniger zu bieten, aber besser auszuwählen. Hinterhäuser kann man gewiss zutrauen, dass er das unter Stéphane Lissner vernachlässigte Musikprogramm wieder auf Festspielniveau bringt. Dass er in Wien so konservativ und progressiv zugleich wirkt wie zuletzt in Salzburg. Und die „postmigrantischen" Ansätze seiner Ko-Intendantin sollten spannend werden, wenn sie sich nicht auf geführte Touren durch die wilde Vorstadt beschränken. Was man aus Berlin von Langhoff hört, gibt Anlass zur Hoffnung, dass sie das nicht tun.

Unverständlich ist nur, warum die neue Intendanz nicht schon die Saison 2013 gestaltet. Schließlich ist Luc Bondy schon ab 2012 in Paris engagiert.

E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Postmigrantin Berlin
Wiener Festwochen

Shermin Langhoff: Die Postmigrantin aus Berlin

Die gebürtige Türkin wird sich auch mit den Migrantenszenen in der Wiener Vorstadt befassen.
Wiener Festwochen

Markus Hinterhäuser: Der Italo-Wiener aus Salzburg

Der Pianist kann genauso für John Cage schwärmen wie für Mozart und Leonard Cohen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.