Im Konflikt mit Ankara wegen Zypern rächt sich das unfaire Spiel der EU mit den türkischen Beitrittsambitionen.
Das Land hat ein Wirtschaftswachstum, von dem man in der EU nur träumen kann, die zahlenmäßig zweitstärksten Streitkräfte in der Nato und eine strategisch bedeutsame Lage zwischen Europa und Asien. Es besteht kein Zweifel: Die Türkei ist eine wichtige Regionalmacht. Als solche will sie auch von ihren Nachbarn um jeden Preis akzeptiert werden – und die Regierung in Ankara reagiert zunehmend gereizt, wenn sie diese Rolle des Landes nicht ausreichend gewürdigt sieht.
Das bekam jüngst Israel zu spüren. Nun ist die EU an der Reihe: Die türkische Drohung, während der EU-Präsidentschaft Zyperns die Beziehungen zur Union einzufrieren, zeugt nicht gerade von diplomatischem Fingerspitzengefühl. Immerhin bewirbt sich die Türkei gerade um eine Mitgliedschaft in eben diesem politischen Klub. Und dass Zypern den Vorsitz übernimmt, ist durch das Rotationsprinzips festgelegt und zudem innere Angelegenheit der EU.
Doch im drohenden Konflikt mit der immer selbstbewusster – ja dominant – auftretenden türkischen Regierung rächt sich auch die bisherige Politik der EU. In der Türkei hat man verstanden, entgegen jahrzehntelanger anders lautender Versprechen in der Union nicht wirklich willkommen zu sein. Wenn mein Partner kein ehrliches Spiel mit mir spielt, ist Wohlverhalten ohnehin sinnlos, lautet offenbar die Analyse in Ankara. Zudem war absehbar, dass Zyperns Aufnahme in die EU ohne Friedensabkommen für die geteilte Insel zu Problemen mit der Türkei führen wird.
Die Union kann es sich kaum leisten, einen wichtigen Partner wie die Türkei zu verlieren. Doch in Ankara sollte man sich auch klar werden, dass man sich mit rüdem Verhalten rasch in die Isolation manövriert – selbst wenn man eine bedeutende Regionalmacht ist.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2011)