Missbrauch mit Missbrauch?

Die Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt erhebt schwere Vorwürfe.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Maßgebliche Stellen der katholische Kirche haben über lange Zeit bei sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, begangen durch Priester, Ordensbrüder, Präfekten, Nonnen,... weggeschaut. Oder Vergehen vertuscht und durch bloßes Versetzen von Tätern neues Leid über neue Opfer gebracht. In Rom wie in vielen Diözesen wurden nach dem Auffliegen der Praktiken die Konsequenzen gezogen. Manche mögen es halbherzig nennen, kann sein. Aber auch und gerade in Österreich, wo unter der Führung von Kardinal Christoph Schönborn international gelobter Umgang mit dem Thema etabliert wurde, nun so zu tun, als ob alles falsch wäre, geht an der Realität vorbei. Die Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt gibt nun an, die Namen von 40Priestern zu kennen, die sich einschlägiger Vergehen schuldig gemacht haben und dennoch im Amt sind und Kontakt zu Kindern und Jugendlichen haben. Ein schwerer Vorwurf. Den die Initiatoren der Plattform sicher gegenüber den unmittelbaren Vorgesetzten dieser Priester schleunigst konkretisieren werden. Andernfalls wären sie ja dafür verantwortlich, nicht einmal den Versuch gemacht zu haben, den Tätern keine „Chance“ für neue Taten zu geben. Sonst wäre auch der Verdacht nicht entkräftet, die Plattform betreibe mit dem Missbrauch Missbrauch in ihrem Kampf gegen die katholische Kirche. In einem Punkt haben die Plattformbetreiber aber jedenfalls recht: Das Fehlen einer staatlichen Kommission ist ein Skandal.

dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2012)

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