Von der (Ohn-)Macht im Generationenkonflikt

Ausgerechnet die Großkoalitionsonkel Werner Faymann und Michael Spindelegger haben den Generationenkonflikt sichtbar gemacht. Das hat durchaus Potenzial.

Dieser Tage zeigt sich deutlich, wie unsicher wir mit dem Instrumentarium der direkten Demokratie noch umgehen. Da haben die älteren Wähler tatsächlich überdurchschnittlich deutlich für den Fortbestand der Wehrpflicht gestimmt! (Wie die Jungen votiert haben, weiß keiner ganz genau, aber offenbar auch nicht dagegen, was in nicht wenigen Medien dezent unter den Tisch gefallen ist, vermutlich um die Darstellung nicht zu komplizieren.)

Die Überraschung über dieses revolutionäre Abstimmungsverhalten löste eine öffentliche Debatte nach der Volksbefragung aus, die – man kann es nicht oft genug schreiben – dank Vorgeschichte und parteipolitischen Missbrauchs lächerlich bis fahrlässig war. Für die Weissagung, dass die Pensionisten des Landes überwiegend gegen ein Berufsheer ohne Präsenz- und Zivildiener stimmen würden, hätte man weder Meinungsforscher noch Innenpolitikberater benötigt. Eine Diskussion, wie sinnvoll es ist, dass auch Ältere (oder etwa Frauen) über ein paar Monate Lebenszeit Jüngerer (Männer) befragt werden, gab es bis zum Sonntag nicht. Nur eine kleine Feststellung zu den vielen emotional geführten Debatten dieser Tage: Ein Jugend-, ein Männer- oder ein Zensuswahlrecht bei bestimmten Themen würden das Land natürlich demokratiepolitisch ins Mittelalter führen. Aber die kurze Frage, wie sinnvoll es ist, eine Mehrheit über die Verpflichtung einer Minderheit abstimmen zu lassen, muss erlaubt sein und zeigt einen kleinen Vorzug der altmodischen repräsentativen Demokratie, die uns SPÖ, ÖVP, FPÖ und Co. in den vergangenen Jahren in jeder Hinsicht madiggemacht haben.

Aber vielleicht sollte man der bisher oberflächlich bis verbissen geführten Stehauf-Debatte dankbar sein: Zumindest haben wir einen Zipfel jenes Generationenkonflikts in der Hand, der von Andreas Khol bis Laura Rudas abwärts stets sozialpartnerschaftlich in Abrede gestellt wird. Obwohl es ihn in Österreich natürlich sehr wohl gibt. Seine Ursache ist einfach: Die Jungen werden weniger, die Älteren mehr. Zeitgleich steigt der Schuldenberg, die Belastung jüngerer Generationen wird von Jahr zu Jahr größer. Ein steigender Teil der Bundesausgaben geht auch als Zuschuss in das Pensionssystem, das mittels Umlagesystems allein nicht finanziert werden kann. Genau das aber müsste Ziel einer verantwortungsvoll handelnden Regierung und des dazugehörigen verantwortlichen Sozialministers sein. Genau, auch Binsenweisheiten werden häufig nicht befolgt.


Warum das so ist? Kein Politiker wagt eine nachhaltige Pensionsreform – also eine mögliche Mischung aus Erhöhung des Pensionsantrittsalters, Senkung der Pensionen und stärkerer Verlagerung auf Eigenvorsorge. Keiner geht die notwendigen Veränderungen an, also etwa eine deutliche Abflachung der Lohnkurven in vielen per Kollektivvertrag geregelten Branchen. Eine Lockerung des Kündigungsschutzes für Ältere, die dann wieder leichter einen Job finden würden. Fast allen fehlt der Mut, diese – das Wort bekommt schon fast einen negativen Beigeschmack – Reformen durchzuführen, zu argumentieren und zu verantworten. Von den Jungen – der talentierte Sebastian Kurz sei hier auch erwähnt – hört man dazu wenig.

Womit wir wieder bei der Täterfrage sind. Wer ist schuld an einem Stillstand? Die, die stillstehen? Oder die, für die das geschieht? Wohl Erstere. Die Große Koalition hat verabsäumt, (künftige) Pensionisten auf Einschnitte und Reformen einzuschwören. Vermutlich könnte das nämlich sogar gelingen. Aber seit dem Wehrpflichtschwenk der ÖVP wissen wir jedenfalls, was wohlwollende Beobachter von Andreas Khol schon immer ahnten: Auch die Volkspartei, die sich unter Wolfgang Schüssel noch zu einigen Reformen im Rentenbereich durchgerungen hat, weiß, wie man den grauen Wählern gut gefällt. Kein Wunder, die ÖVP ist und war Experte in Sachen Zielgruppenpolitik: Egal, ob Bauern oder Beamte, der Partei gelingt es, Bevölkerungsgruppen mit homogenen Bedürfnissen zielgenau zu bedienen. Für die Pensionisten erledigte dies bisher die SPÖ. Durch den Wehrpflichterfolg der ÖVP könnte nun die vom Arbeitnehmerbund dominierte Partei auf den Geschmack gekommen sein.

Das wären keine guten Nachrichten für das Land und das Verhältnis zwischen den Generationen.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2013)

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