Information ist kein Gnadenakt

Information kein Gnadenakt
Information kein Gnadenakt c Erwin Wodicka wodicka aon.at
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Spät, aber doch: Die Koalition will das Amtsgeheimnis lockern. Mit einem neuen Gesetz müsste allerdings auch ein Kulturwandel in den Köpfen der Beamten und Politiker einsetzen: Bürger Untertan.

Der Daumen, der das Land regiert: Unter diesem Titel ging das deutsche Magazin „Spiegel“ vor einiger Zeit der Frage nach, ob dienstliche SMS der Kanzlerin archiviert werden müssten. Denn Angela Merkel ist dafür bekannt, Staatsangelegenheiten leger per Kurznachricht zu entscheiden, und das deutsche Recht verlangt, dass alles, was zum öffentlichen Geschäft gehört, zu den Akten muss. Falls ein Bürger nachschauen will.

Man könnte jetzt länger diskutieren, ob solche Akkuratesse Politikern nicht einen nötigen diskreten Spielraum nimmt, aber es wäre schade um den Platz. Denn anders als die Deutschen haben wir kein Informationsfreiheitsgesetz, das ein Grübeln über Werner Faymanns SMS-Verkehr erfordern würde. Stattdessen haben wir ein Amtsgeheimnis, das in der Verfassung steht und das in der Praxis „in dubio pro secreto“ ausgelegt wird: Im Zweifel (oder wenn der Beamte nicht will) erfährt keiner was. Egal, ob es sich um die eigene Maturaarbeit, Vorzugsstimmenergebnisse in der Gemeinde, Urteile in Disziplinarverfahren oder Ministerratsbeschlüsse (gesperrt für 30 Jahre) handelt. Seit Jahren wird bereits gegen diese Unsitte angeschrieben, zuletzt startete die Initiative „transparenzgesetz.at“ eine Petition. Trotzdem brauchte es einen Korruptionsuntersuchungsausschuss, einen Wahlkampf und den (offenbar akkordierten) Vorstoß des Integrationsstaatssekretärs, damit die Politik auf den Zug aufspringt. „Gläserner Staat statt gläserner Bürger“, propagieren nun die Regierungsparteien. Schon witzig. Im Vorjahr wurde mit dem Slogan noch gegen die von ÖVP und SPÖ beschlossene Vorratsdatenspeicherung protestiert.

Ob aus Populismus oder Einsicht – die Politik trifft mit der Parole einen Nerv. Vor allem Menschen, für die das Filtern von Datenmengen aus den Weiten des Internetarchivs Alltag ist, sehen nicht ein, warum der Staat zwar fleißig Informationen über sie sammelt, mit seinen eigenen aber geizt. Für andere ist Transparenz wiederum zum Kampfbegriff gegen das „politische System“ an sich geworden, zum Allheilmittel gegen Korruption, Mauschelei, Machtmissbrauch. Gegen „eh alles“ wird das Gesetz freilich nicht helfen, u.a. weil vollständige Transparenz weder realistisch noch wünschenswert ist – Stichwort: Datenschutz. (Insofern ist die Idee eines unabhängigen Informationsmanagers, der bei Anfragen die Verletzung von schutzwürdigen Interessen prüft, vernünftig.) Dennoch: Ein „Freedom of Information Act“, der auf Länder- und Gemeindeebene umgesetzt wird, birgt die Chance auf einen – Achtung Pathos – Kulturwandel. Wer einmal vom Amt eine speziellere Auskunft gebraucht hat, kennt das: Mitunter fühlt man sich eher wie bei Kafka als beim Dienstleister. Wenn Beamte nicht bloß informieren können, sondern müssen, wäre Auskunft ein Service statt ein Gnadenakt. Auch in der Politik könnten effektivere Informationsrechte etwas bewirken: Wer damit rechnen muss, dass neugierige Bürger oder Journalisten nachschauen, wie viel z.B. Beratungsaufträge von Ministerien kosten, wird vorsichtiger mit Steuergeld umgehen. Okay, eventuell mauschelt man dann nur geschickter. Aber wenn mehr Offenheit das Vertrauen zwischen Politikern und Bürgern nur ein bisschen stärkt, wäre das mehr, als man zuletzt für möglich hielt.

ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2013)

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