Wie man sich selbst erfolgreich ins Schmuddeleck stellt

Derzeit bricht nicht das de facto schon vor zwölf Jahren abgeschaffte Bankgeheimnis zusammen, sondern eine katastrophal falsche Kommunikationsstrategie der Politik.

Was wir jetzt in Sachen Bankgeheimnis erleben, ist der seit Langem absehbare Zusammenbruch einer katastrophalen Kommunikationsstrategie der Politik. Sonst nichts. Der Rest der Diskussion ist weitgehend virtuell: Das Bankgeheimnis, wie es noch immer in den Köpfen der Menschen herumspukt, existiert ja seit der Abschaffung der anonymen Konten im November des Jahres 2000 nicht mehr.

Wer jetzt noch zu Verteidigungszwecken mit dem „Oma-Sparbuch“ herumwachelt, sollte dazusagen, wie das funktioniert: Wenn die Oma das Sparbuch, auf das sie ihre versteuerten Pensionseinkünfte überweist und von dessen Ertrag ihr automatisch Kapitalertragsteuer abgezogen wird, eröffnet, muss sie ebenso den Ausweis zücken wie bei größeren Bareinzahlungen und Abhebungen.

Welche verbotenen Dinge kann man mit so einem Finanzinstrument anstellen – und vor allem: Wo ist da das Geheimnis? Die Finanz weiß nicht, was da draufliegt? Geh bitte: Die Finanz interessiert sich bei unserer Oma nur nicht dafür. Und sollte sie begründetes Interesse bekunden, muss sie nur ein Verfahren eröffnen – und schon ist das „Geheimnis“ des Büchels gelüftet.

Mit dieser Form von Bankgeheimnis leben wir, wie gesagt, seit mehr als zwölf Jahren recht komfortabel. Und es besteht nicht der geringste Anlass, daran etwas zu ändern. Worum es jetzt geht, ist ja nicht die Oma samt ihren paar für die Enkerln ersparten Tausendern, sondern der Kampf gegen grenzüberschreitende Steuerhinterziehung, den sich die OECD, die USA, die EU und wer weiß ich noch alles auf die Fahnen geschrieben haben.

Der hat zwei Komponenten: erstens die Überprüfung, ob das Geld, das da über die Grenze gebracht wird, steuer- und kriminaltechnisch „sauber“ ist. Da handeln die Banken schon recht zivilisiert. Selbst in der Schweiz gibt es bereits strenge Fragen nach dessen Herkunft. Und zweitens die Frage, wie die Ursprungsländer zu dem ihnen zustehenden Teil an der Versteuerung der Zinserträge kommen.

Hier hat Österreich (ebenso wie Luxemburg) mit der Pauschalbesteuerung an der Quelle eine sehr elegante und auch effiziente Lösung gehabt. Jedenfalls eine elegantere, als es der vom überwiegenden Rest der Welt präferierte automatische Datenaustausch ist.

Das hilft uns aber nichts: Dass sich zwei wirtschaftlich stark international vernetzte europäische Kleinstaaten nicht dauerhaft gegen den Rest der Welt stellen können, dass also die Einführung des automatischen Datenaustausches über die Konten von Ausländern nur eine Frage der Zeit ist, muss allen beteiligten Bankern und Politikern seit vielen Jahren klar gewesen sein. Wieso sie das nicht so kommuniziert und stattdessen versucht haben, ihre Auslandskunden hinter dem „Oma-Büchel“ zu verstecken, gehört wohl zu den großen Rätseln der Wirtschaftsgeschichte. Vor allem aber zu den Lehrbeispielen dafür, wie man Kommunikation total verbocken und sich selbst ohne Grund international ins Schmuddeleck stellen lassen kann.

Die Energie, mit der hier ein auf Dauer nicht haltbarer Zustand verteidigt wird, wäre anderswo besser eingesetzt gewesen. Beispielsweise beim Kampf gegen echte Steueroasen, wo diese Dinge, derer man uns fälschlich verdächtigt hat, wirklich geschehen. Da ist ja noch sehr viel Heuchelei im Spiel, solange etwa ein EU-Mitgliedstaat wie Großbritannien allein ein gutes Dutzend zweifelhafter Offshore-Paradiese unterhält und die so „korrekten“ USA mitten in ihrem Staatsgebiet die Oase Delaware betreiben. Und dieser Kampf wäre entschieden glaubwürdiger, würden nicht alle großen EU-Banken, auch die österreichischen, in so gut wie allen Steuerparadiesen selbst Offshore-Töchter zwecks „Steuerschonung“ unterhalten.

Darüber sollte man jetzt reden. Und darüber, wie man das gar nicht so schlechte verbliebene inländische Bank-„Geheimnis“ für die Oma verteidigen kann. Denn gläserne Konten wie in Deutschland oder den USA, auf die alle möglichen Institutionen einfach so zugreifen können, brauchen wir nämlich wirklich nicht. Aber die Oma und ihr Sparbuch mit internationaler Steuerflucht zu verquicken – das ist eine katastrophal falsche Strategie.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2013)

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