Von Grünen, Fahrrädern und den Elchen

Das Eifern der Grünen macht es einem schwer, die Verkehrspolitik in Wien nüchtern zu sehen. Aber vielleicht wollen sie ohnehin genau das verhindern.

Jüngst in einem durchaus emotional geführten Gespräch mit einem prominenten Grün-Politiker über die Sinnhaftigkeit einer neuen Fußgängerzone in Wien: Auf das Argument, der Verkehr in angrenzenden Bezirken würde aufgrund von mehr Parkplatzsuchern zunehmen, hieß es: Mittels komplizierter Einbahnregeln werde man dafür sorgen, dass unbedarfte Bezirksfremde sich das schnell wieder – wörtlich – „abgewöhnen“ und auf die öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen würden.

Der Begriff „abgewöhnen“ lässt tief in die grüne (Verkehrs-)Politik blicken: Es geht nicht darum, jemanden davon zu überzeugen, mit der U-Bahn zu fahren, weil es günstiger, unkomplizierter und mitunter unfreiwillig unterhaltsamer sein kann, sondern den Bürgern das Autofahren quasi auszutreiben. Man muss das Herdentier Mensch zum besseren ökologischen Bürger umerziehen. Irgendwie klingt das nicht nach einer offenen, liberalen Gesellschaft, von der die Grünen sonst gern sprechen.

Eine Analogie zum Tierreich bietet auch eine andere Strategie der Grünen. Sie markieren neuerdings „ihre“ Stadt und ihre Plätze. Das funktioniert mit frecher Schlichtheit, indem Fahrradwege plötzlich grün bemalt werden. Das geht aber noch besser mit der Rathaus-Event-Maschinerie, die ihre Wurzel einst in den Feiern zum 1. Mai hatte und bis zur Eisdisco viele Brot-Spiele-Facetten bietet. Die Grünen lernen schnell. So wird auf dem Rathausplatz ein Radfahr-Festival plötzlich politisch und Grünen-gefällig. Der Ring wird stundenlang mit einem schönen Radparcours bespielt, die Grünen zeigen Flagge, Stadt und Bewohner haben sich zu beugen.

Das erzeugt ein gewisses Maß an Ärger und Unwohlsein, das sich bei Oberösterreichern, Salzburgern, Kärntnern und Tirolern angesichts ihrer jeweiligen Lokalkolorit-Umweltfreunde bisher nicht einstellte. Aber vielleicht wird das ja die künftige Aufteilung Wiens: Michael Häupls SPÖ besitzt den Rathausplatz, den Grünen gehört der Ring.

Ein kleiner, politisch lächerlich rückschrittlicher und modisch unkorrekter Gedanke: Man stelle sich nur einmal ganz kurz vor, was passieren würde, wenn ein Auto-Festival auf dem Rathausplatz – oder gar auf dem Heldenplatz! – abgehalten würde. Wenn ein Parcours von Autofahrern durch die Fußgängerzone pflügte und dazu die Hubraum-statt-Wohnraum-Gemüter stolz grinsten. Der Untergang der Moderne, Umwelt und Urbanität würde wohl ebenso ausgerufen werden, wie der Kampfruf „Blechfaschisten!“ erschallte. Übrigens: Die Stadt – namentlich Verkehrstadträtin Maria Vassilakou – will Aufladegeräte für die neuen Teilelektroautos nicht fördern, ganz weg sollen die Ganz- und Teilbenziner. So wird Wien nicht Kopenhagen. Die lokale Opposition könnte das eigentlich für sich nützen, aber die FPÖ bleibt merkwürdig ruhig, und die Wiener ÖVP erholt sich noch immer vom Erfolg der Parkpickerl-Unterschriftenaktion vor einigen Monaten.


Profilierung und Eiferertum. Nein, es geht nicht um einen Kulturkampf, die tatsächliche Notwendigkeit von mehr Fahrradwegen oder das aggressive Verhalten von Pkw-Fahrern und Fahrrad-Partisanen – sondern um politische Profilierung und Eiferertum. Genau das ist leider immer stärker bei der einst an sich sympathischen Oppositionspartei zu bemerken. In Abwandlung eines alten Sprichworts: Eine halbe Legislaturperiode im Rathaus und schon werden die einst größten Kritiker der Elche selber welche.

Und was macht eigentlich Eva Glawischnig? Die spielt Alexander Van der Bellen und hält sich aus solch kontroversiellen Themen völlig raus. Lieber preist sie fröhlich Bio-Essen in den Bundesländern, beglückwünscht zu einer Koalition – Frank Stronach? Macht doch nichts! – und verlässt sich auf den Intellekt der Herren Pilz und Kogler im Parlament. Und natürlich hofft sie auf eine Regierungsbeteiligung infolge eines Mehrheitsverlusts von SPÖ und ÖVP im Bund. Das wird kaum etwas ändern. Es sei denn, man gibt den Grünen das Verkehrsressort ...



rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2013)

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