Riesenpleite im Superwahljahr: Ganz schlechtes Timing

Aus der Alpine-Insolvenz könnte man durchaus Lehren ziehen – wenn man wollte. Angesichts herannahender Nationalratswahlen stehen die Chancen aber schlecht.

Von Schockstarre keine Spur. Österreichs zweitgrößter Baukonzern meldete gestern Insolvenz an – und so viele hatten einen verbalen Beitrag zu leisten: Landespolitiker, Interessenvertreter, und SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer lud auch brav zu Spitzengesprächen in sein Ministerium.

Jawoll, wir befinden uns im Superwahljahr. Und da muss man trotz Großpleite gute Figur machen. Das wirklich brennende Thema schien gestern auch Folgendes zu sein: Welche politische Partei könnte am 29. September dank Alpine-Insolvenz die schlimmsten Blessuren davontragen? SPÖ und ÖVP, sagen die Experten. Die FPÖ hingegen könne Nutzen daraus ziehen.

Alles klar: Die herannahenden Nationalratswahlen stellen offenbar alles in den Schatten. Selbst 7500 Jobs, die in Österreich wackeln.

Wenigstens kennen wir uns jetzt aus: Die „Causa Alpine“ wird uns im Wahlkampf noch lange begleiten. Und das ist eher keine so gute Nachricht. Wie lange wird es wohl dauern, bis uns Meldungen à la „Das kommt davon, wenn man österreichische Unternehmen ans Ausland verscherbelt“ um die Ohren fliegen? An den entsprechenden Pressetexten wird vermutlich schon gebastelt. So etwas kommt ja immer gut.

Deshalb soll an dieser Stelle der Versuch unternommen werden, die Diskussion zu versachlichen. Bevor alle Sicherungen durchbrennen. Vielleicht bringt's ja doch etwas.

Die Alpine-Pleite ist tragisch, keine Frage. Tausende Mitarbeiter zittern um ihren Job, an die 8000 Gläubiger um ihr Geld. In ihrer Haut möchte man nicht stecken – im Angesicht der Wirtschaftskrise schon gar nicht.

Die Frage ist halt: Hätte das Fiasko verhindert werden können? War es ein Fehler, „ans Ausland“ zu verkaufen?

An dieser Stelle muss differenziert werden – was den politischen Kräften in diesem Land bekanntlich nicht so liegt: Es war absolut kein Fehler, die Alpine an einen ausländischen Konzern zu verkaufen, weil wohl nur so eine flächendeckende Expansion realistisch war.

Es war allerdings – im Rückblick – ein Fehler, an den spanischen FCC-Konzern zu veräußern.

Im Jahre 2006 übernahm der spanische Mischkonzern die Mehrheit an der Salzburger Alpine. Die damals ausgearbeitete Strategie klang bestechend: Die Spanier sollten die Expansion im Westen vorantreiben, die Österreicher waren für alles östlich der Schweiz zuständig.

Klingt gut, hat aber nicht funktioniert. Und da kommen die hausgemachten Probleme ins Spiel: Der FCC-Konzern zeichnete sich – wie sich leider viel zu spät herausstellen sollte – durch einen absolut chaotischen Führungsstil aus. Er bekam selbst Probleme, bald hatten dort die Banken das Sagen. Die wiederum verstehen herzlich wenig vom harten Baugeschäft.

Bald schwappte das Problem auf die Alpine über: FCC regierte immer mehr ins Tagesgeschäft hinein, Manager mit jahrzehntelanger Erfahrung verließen die Alpine in Scharen. Auf den bürokratischen Wahnsinn und die immer offener ausgetragenen Eifersüchteleien konnten sie gern verzichten.

Chaos rein, fähige Manager raus – der Teufelskreis war perfekt. Der Rest ist Geschichte. Traurige Geschichte. Pech, einerseits. Andererseits: Man könnte aus der Sache durchaus Lehren ziehen – wenn man wollte.

Die Fragen, die sich jetzt aufdrängen, sind beispielsweise: Warum wurden, trotz eklatanter wirtschaftlicher Probleme, immer noch Alpine-Anleihen begeben? Und in diesem Zusammenhang: Was haben Ex-Politiker in Aufsichtsräten verloren?

Am Beispiel Alpine: Zuerst saß Ex-Kanzler Gusenbauer im Kontrollgremium, dann wurde er durch Ex-Außenministerin Ferrero-Waldner ersetzt. Ganz ehrlich: Weil sie so viel vom Geschäft verstehen?

Allein dieser Wahnsinn gehört einmal ordentlich hinterfragt. Aber in einem Superwahljahr? Geh bitte.

Da ist es schon viel bequemer, Feindbilder und Schuldige anderswo zu suchen. Und fiktive Wählerstromanalysen zu betreiben. Das ist das ebenso Entsetzliche an der Geschichte.

E-Mails an: hanna.kordik@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2013)

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