Hütet euch vor einem zweiten 24. September!

Vor fünf Jahren wurden vor der Wahl mehrere Milliarden verpulvert. Das könnte wieder passieren, wenn die ÖVP auf das SPÖ-Spiel beim Lehrerdienstrecht eingeht.

Am 24. September 1929 hatte die Sowjetregierung eine schaurig-absurde Idee: Sie verfügte per Dekret, dass ab 1. Oktober des Jahres eine Woche mit nur fünf Tagen eingeführt werde. Nach vier Arbeitstagen folgte ein Ruhetag, Samstag und Sonntag wurden abgeschafft. Damit sollte die Produktivität steigen. Es funktionierte nicht.

Am 24. September 2008 hatte die rot-schwarze Regierung eine schaurig-absurde Idee: In einem plötzlich ausgerufenen koalitionsfreien Raum wurden im Parlament mit bunten Koalitionen Milliarden verschenkt, als wären Weihnachten, Budgetüberschuss und Silvester zusammengefallen. Vor allem der SPÖ gelang es, mit erhöhten Sozialleistungen und ein wenig Luxusbesteuerung die eigene Klientel zu bedienen. Es funktionierte. Werner Faymann wurde Kanzler.

Warum sollte das nicht noch einmal funktionieren?

Denn – und das ist vielleicht die eigentliche Kernkompetenz des SPÖ-Chefs und seiner Partei: Wenn es ernst wird, wenn es also um die eigene Macht geht, haben die Roten eine funktionierende Strategie. Die ÖVP mag auf der Strecke gut sein, die SPÖ ist es aber auf den entscheidenden Metern vor dem Ziel. Faymann droht der ÖVP bereits mit einem solchen koalitionsfreien Raum. Oder besser: Er lässt drohen. Denn die Oppositionsparteien Grüne, BZÖ und das Team Stronach signalisieren, dass sie unter Umständen beim Beschluss eines neuen Lehrerdienstrechts mit von der SPÖ-Partie wären. Das blockiert gerade die ÖVP. Was wiederum SPÖ-Wahlkampfchef Josef Ostermayer die Gelegenheit gibt, mit seiner „Krone“ dagegen zu kampagnisieren. Denn die ÖVP will nicht über ihren dunklen Schatten springen und bereitet ihrerseits lieber mögliche Gegenaktionen mit neuen Allianzen vor. Da wäre passenderweise der Beschluss eines neuen ÖBB-Dienstrechts, das die Unterstützung der kleineren Rechtsparteien finden könnte. Da wären der Beschluss einer Schulden- und einer Gebührenbremse als Gesetz, das Stimmen finden dürfte.

Die SPÖ kann sich damit zwar inhaltlich nicht anfreunden, aber strategisch hilft er ihr: Ein starkes Indiz für eine mögliche schwarz-blau-gelbe Koalition nach der Wahl würde die eigenen Genossen besser mobilisieren als die eingeschlafene Hand des Kanzlers. Vielleicht ist dies ein weiterer Grund, dass im Kanzleramt mit der Ausrufung der Chaos-Monate geliebäugelt wird.

Natürlich ist das alles ausbaubar: Die eine oder andere Reichensteuer wäre auf dem kurzen Weg noch vor Oktober in einer Sondersitzung zu beschließen, die die Augen von AK-Chef Werner Muhm zum Leuchten bringen. Und wie schon beim Beschluss des Konjunkturpaketteils – der andere Teil ist zum Glück reiner Etikettenschwindel – keck behauptet wurde: Gerade in Krisenzeiten muss man Geld ausgeben und Schulden machen, damit es der Wirtschaft wieder besser gehe. (Statt der Bauvorverlegung des Jörg-Haider-Gedächtnis-Tunnels zwischen der Steiermark und Kärnten hätten es ein paar Steuererleichterungen auch getan, aber damit könnten Werner Faymann, Michael Spindelegger und die beide Sozialpartner-Minister nicht die großzügige Sponsoren geben.) Also warum nicht gleich wieder ein wenig umverteilen? Von den Steuerzahlern zu den trotz Sozialsystems noch immer Bedürftigen? Diese drei Monate vor der Wahl können für uns also noch teuer werden.

Michael Spindelegger hat es mit seinen Lehrern und Gewerkschaftern in der Hand, es nicht so weit kommen zu lassen. Das auf dem Tisch liegende Modell ohne jede ernsthafte Kompromissbereitschaft nur abzulehnen, ist unverständlich, wird im Wahlkampf schaden und könnte die genannten Kollateralschäden auslösen.

Werner Faymann, der Alexander Wrabetz der Innenpolitik, hat es in seiner Hand, ausnahmsweise nicht nur an die Eigen-PR und Absicherung zu denken, sondern an das Ganze. Das da wäre: Die nächste Regierung wird um weitere Sparmaßnahmen nicht herumkommen. Für diese Notwendigkeit braucht man nicht einmal eine Hypo-Alpe-Adria-Vollpleite, es reicht, den eingeschlagenen Budgetpfad einhalten zu wollen.

Die Regierung soll also bis zur Nationalratswahl bitte einfach das tun, was sie zwischendurch schon immer gern getan hat: nichts. Mit starker Hand.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2013)

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