Ein Job wie jeder andere?

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jeder andere(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nach dem Auffliegen eines Menschenhändlerringes fragen manche: Wäre die Situation von Prostituierten besser, wäre es ein normales "Business"? Von der Politik sollten sie keine Antwort erwarten.

Der Fall fiel auf. Zuerst durch seine Dimension. Bei einer Großrazzia sprengte die Polizei in Wien einen Ring mutmaßlicher Menschenhändler. 21 Frauen wurden befreit, hundert sollen betroffen sein. Gleich danach meldete sich in der „ZiB24“ ein Vertreter der Sexarbeiter-Lobby zu Wort – und sagte ebenfalls Auffallendes. Hätten Prostituierte mehr Rechte und wäre Prostitution ein anerkanntes Geschäft, hätten es solche Banden schwerer. Klingt gut, aber stimmt das?

In Europa gibt es zwei völlig unterschiedliche Wege, mit Prostitution umzugehen. Verbieten wie die Schweden. Oder es als „normales Business“ zu behandeln wie die Deutschen. Wobei beide Länder behaupten, dass ihr Modell den Menschenhandel eindämmt. Das Verbot erschwere kriminelle Geschäfte, sagen die Schweden. Verbote treiben die Frauen in die Illegalität, rechtliche Absicherung mache die „Branche“ transparenter, sagen die Deutschen. Und was sagt Österreich? Wenig. Tatsächlich sind wir dem deutschen Modell näher. Allerdings ist uns die jüngste Weichenstellung „passiert“. Sie kam – wie bei heikleren Themen hierzulande üblich – nicht von Politikern, sondern Richtern. Im Vorjahr urteilte der Oberste Gerichtshof, dass es nicht angehe, dass der Staat Prostituierten detaillierte Vorschriften mache, es ihnen aber verwehre, ihren Lohn einzuklagen. Der OGH hob die Sittenwidrigkeit von Verträgen zwischen Prostituierten und Kunden also auf. Seit diesem symbolischen Akt (der Lohn wird ja selten eingeklagt) wird gewartet. Auf die nächsten logischen Schritte: Arbeitsverträge für Prostituierte, rechtliche Integration in die Jobwelt, auf das deutsche Modell eben.

Jedoch: Passiert ist nichts. Auch die Frauenministerin, die das OGH-Urteil bejubelte, ist verstummt. Es mag daran liegen, dass das deutsche Modell, wenn man es durchdenkt, in seinen Nebenwirkungen erschreckt: Wer dazu Ja sagt, sagt auch Ja zu Flatrate-Bordellen. Prostitution wäre eine von vielen Varianten, sein Geld zu verdienen, der Tausch Sex gegen Geld „normal“ und nicht jede Prostituierte wäre per Definition „Opfer“. Das aber will so keiner sagen, weil man dann gesellschaftspolitisch in Teufels Küche kommt. Allerdings – und das ist die Ironie: Aus denselben Gründen wagt keiner das Gegenteil – ein Verbot à la Schweden, wo nicht die Frauen, sondern die Kunden bestraft werden – zu diskutieren. Zu vorhersehbar sind die Reaktionen: prüde, frauenbevormundend, realitätsfremd. Eine Welt ohne Prostitution kann sich die heimische Regierung offenbar nicht einmal in der Debatte als Ziel vorstellen. Statt über das „Ob“ zu reden, verwaltet man das „Wie“ – verschiebt in Wien Straßenstriche quer durch die Stadt, formuliert in Vorarlberg Auflagen für Bordelle so, dass es keine gibt. Die „große Lösung“ hängt indessen in der Warteschleife. Man müsse erst „nachdenken“, heißt es. Nichts gegen das Nachdenken, immerhin ist Prostitution in all ihren Facetten ein komplexes Phänomen. Jedoch: Schweden hat seine Regelung 1999 eingeführt, Deutschland 2002. Zum Grübeln und Vergleichen war viel Zeit. Daher darf man vermuten: Nach dem Denken wird nichts kommen – außer ein Hin-und Wegschauen wie bisher. Vielleicht traut man sich ja zumindest, das zuzugeben. Irgendwann.

ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2013)

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