Ein Triumph mit einem bitteren Beigeschmack für Merkel

Die Union siegte fulminant, ihr brach aber die FDP weg. Wenn Angela Merkel nicht alleine regieren kann und mit der SPD koalieren muss, wird ihr Spielraum enger.

Weniger Wahlkampf wäre kaum möglich gewesen. Doch die Reduktionskost, die Deutschlands Bundeskanzlerin ihren Wählern mit ruhiger, fast schon eingeschlafener Hand servierte, schlug voll an und reichte für einen fulminanten Sieg: In ihrem dritten Anlauf erzielte Angela Merkel ihr bisher bestes Ergebnis und führte die Union in lichte Höhen, die vor ein paar Jahren noch unerreichbar schienen. Den Deutschen geht es wirtschaftlich vergleichsweise gut, sie wollen weitere vier Jahre mit ihrer Kanzlerin verbringen.

Allerdings ging Merkels Triumph auf Kosten ihres Koalitionspartners. Die FDP brach ein und verpasste zum ersten Mal seit 1949 den Einzug in den Bundestag. Am Wahlabend war lange nicht klar, ob sich die Kanzlerin darüber freuen sollte oder nicht. Eine absolute Mandatsmehrheit für die Union schien anfangs möglich - wenn Merkel jedoch eine neue Koalition eingehen muss, könnte sich ihr Spielraum sogar einengen.

Die SPD steht für eine Große Koalition bereit. Vom Einzug ins Kanzleramt blieb ihr Spitzenkandidat Peer Steinbrück indes weit entfernt. Er kann sich lediglich zugutehalten, etwas besser abgeschnitten zu haben als Frank-Walter Steinmeier vor vier Jahren. Mit dem zweitschlechtesten Resultat in der Geschichte der Sozialdemokratie erreichte er ein Minimalziel und eröffnete der SPD zumindest die Option auf eine Machtbeteiligung. Auch Schwarz-Grün wäre eine Möglichkeit, aber nur eine sehr vage - und taktische.

Mit seinem Klartext-Wahlkampf hatte Steinbrück die eigenen Genossen oft sprachlos zurückgelassen. Zielsicher stieg er in den jeden Fettnapf, den man ihm aufstellte. Merkel konnte der Sozialdemokrat in keiner Phase gefährlich werden. Eine rot-grüne Mehrheit war nie in Griffweite.

Es war der Wahlabend der Großparteien in Deutschland, vor allem der Union. Aus dem Kreis der etablierten Parlamentsparteien konnten nur sie zulegen. Die Überraschung des Urnengangs lieferte jedoch die „Alternative für Deutschland", die sich aus dem Stand ins Rampenlicht katapultierte. Von der neuen Gruppierung hing letztlich ab, ob Merkel die Absolute schaffte oder nicht. Das professorale Bündnis der Eurogegner punktete ohne nennenswerte mediale Unterstützung, abseits des Mainstreams. Ihr Erfolg zeigt, wie tief die Euroskepsis bei manchen Deutschen sitzt. Stimmen lukrierte die neue Bewegung aus den Reihen der Konservativen, vor allem aber aus dem liberalen Lager.

Die FDP fiel in sich zusammen wie ein Soufflé. Auf 14,6 Prozent hatte sie sich vor vier Jahren mit viel heißer Luft aufgepumpt. Diesmal geriet sie in akute Atemnot und flog aus dem Bundestag. Die Wähler präsentierten den Liberalen die Rechnung für eine unterirdische Regierungsleistung. Ihr Profil hatten sie schon in den Koalitionsverhandlungen mit der Union verwischt. Danach rieben sich die Freidemokraten in innerparteilichen Schaukämpfen auf. Ihre Kapitulation reichte die FDP im Endstadium des Wahlkampfs ein, als sie panisch um die Zweitstimmen der Unionswähler winselte. Das kam gar nicht gut an.

Die Grünen blieben deutlich unter den Erwartungen, die sich in den vergangenen vier Jahren in Umfragehochs aufgebaut hatten. Das lag nicht nur an den farblosen Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin, sondern vor allem auch an der falschen Themenwahl. Ihre Umweltagenda forcierten die Grünen erst auf der Zielgeraden des Wahlkampfs. Aus der Bahn geworfen hatten sie sich allerdings davor schon mit ihren Vorschlägen für Steuererhöhungen und die verpflichtende Einführung eines Vegetariertages in Schulkantinen. Für die politischen Gegner war das ein gefundenes Fressen, um die Grünen als lustfeindliche Zwangs- und Verbotspartei darzustellen. Am Ende kochte auch noch die Pädophiliedebatte hoch. Trittin musste sich öffentlich dafür entschuldigen, dass er und seine Gesinnungsgenossen Anfang der 1980er-Jahre gefordert hatten, Sex mit Minderjährigen nicht mehr unter Strafe zu stellen.Die Grünen verloren in diesem Wahlkampf die kommunikative Kontrolle, ansprechen konnten sie deshalb nur ihre Stammwähler.

Merkel indes griff weit über die Kernanhängerschaft ihrer Partei hinaus. Deshalb triumphierte sie so deutlich.

E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2013)

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