Die zwei Gesichter des François Hollande

Daheim schwach, international resolut: Wieso Frankreichs Präsident auf die Außenpolitik setzt und langfristig trotzdem nicht glaubwürdig ist.

François Hollande gibt es offenbar doppelt. Da ist einerseits der ewig zaudernde Präsident, der es nicht schafft, die schwächelnde französische Wirtschaft zu reformieren. Der unbeliebteste französische Staatschef der Nachkriegszeit, der eine selten zuvor gesehene Wut- und Protestwelle im eigenen Land nicht in den Griff zu bekommen scheint. Jener Hollande eben, den Ex-First-Lady Carla Bruni – angeblich – in einem Chanson bösartig als tollpatschigen Pinguin ohne Persönlichkeit und Rückgrat parodiert hat.

Je weiter man sich von Frankreichs Grenzen entfernt, desto weniger ist von diesem Pinguin in Hollande zu sehen. Auf internationalem Parkett agiert ein ganz anderer Präsident: ein selbstbewusster und entscheidungsstarker Politiker, der nicht davor zurückscheut, in heiklen internationalen Fragen eine eigenständige Position einzunehmen und diese auch konsequent durchzuziehen. Der innenpolitisch überforderte Staatschef verwandelt sich international offenbar in einen Löwen. Und je dramatischer die Lage daheim wird, desto stärker scheint Hollande auf die internationale Karte zu setzen.

Jüngstes Beispiel: Während die UNO noch zögert, hat Frankreich jetzt bekannt gegeben, tausend zusätzliche Soldaten in die instabile Zentralafrikanische Republik zu schicken, „um einen Völkermord zu verhindern“. Freilich, die Intervention in der Exkolonie steht ganz in der Tradition der von Charles de Gaulle eingeleiteten „Françafrique“ – also der trotz der Entkolonisierung weiteren Einflussnahme auf ehemalige Gebiete in Afrika. Hollande hat zwar im Wahlkampf – wie viele Präsidenten vor ihm – ein Ende der „Françafrique“ versprochen, de facto macht er das Gegenteil: Durch die erfolgreiche französische Blitzintervention gegen Islamisten in Mali hat der Sozialist international bewiesen, dass Frankreich dominierender Player in seinen Exkolonien bleibt, übrigens eine klare Botschaft an den immer mächtigeren Konkurrenten China.

Resolut ist Paris zuletzt zunehmend auch im Nahen Osten aufgetreten – ganz im Gegensatz zu anderen Europäern. Paradoxerweise revidierte ausgerechnet der linke Hollande in den USA das aus dem Irak-Krieg stammende Image des „Freedom Fries“-Franzosen und verschaffte sich auch unter US-Falken Respekt: In Syrien pochte Paris auf eine Militärintervention, und im Iran sprach es sich gegen eine Lockerung der Sanktionen aus. Hollandes Regierung machte sich aber auch für ein unabhängiges Palästina stark und stimmte für die entsprechende UN-Resolution. Ein Jahr später hat es der Präsident dank seiner harten Iran-Linie geschafft, die traditionelle Skepsis der Israelis gegenüber den Franzosen in Bewunderung umzudrehen.

Doch je näher Frankreich ist, desto „kleiner“ wird Hollande: Seine Europapolitik ist ein einziges Desaster. Aus den Eurobonds wurde ebenso wenig wie aus einer Neuverhandlung des Stabilitätspakts. Das Verhältnis zum deutschen Alliierten ist aufgrund der Divergenzen in der Wirtschaftspolitik eiskalt. Und daheim herrscht Misere: Frankreich befindet sich am Rand einer Rezession, die Arbeitslosigkeit steigt, zu hohe Lohnkosten und zu hohe Steuern ersticken die Produktivität. Erst im September stufte S&P Frankreichs Kreditwürdigkeit zurück. Und der Präsident? Der ist ratlos. Angekündigte Reformen werden auf Druck der Straße rückgängig gemacht.

Immerhin: Für seine proaktive Außenpolitik hat Hollande die Mehrheit der Franzosen hinter sich. Erfolgreiche Militäreinsätze und resolute Positionen verpassen ihm kurzfristig immer wieder die Aura eines glorreichen Feldherrn – und helfen ihm, von internen Problemen abzulenken. Doch Frankreichs internationaler Glaubwürdigkeit wird das langfristig wenig nützen: Ein ernst zu nehmender Global Player kann das Land erst sein, wenn es beweist, dass es sich selbst reformieren kann.

susanna.bastaroli@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2013)

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