Wie man eine Wirtschaftskrise ganz sicher nicht beseitigt

Das Beispiel Japans zeigt: Geld drucken und Schulden machen allein sind keine tauglichen Instrumente gegen eine Krise. Ohne Reformen läuft nichts.

Als Shinzo Abe vor einem Jahr versprach, Japan mithilfe seiner Abenomics aus der lähmenden Deflationsspirale zu führen, hatte sich das „verlorene Jahrzehnt“ für den Inselstaat schon beinahe zum „verlorenen Vierteljahrhundert“ ausgewachsen: Seit dem Platzen einer gigantischen Immobilien- und Aktienblase zu Beginn der Neunzigerjahre ist die Wirtschaft des Landes nicht mehr in die Gänge gekommen, regelmäßige Startversuche durch staatliche Ankurbelungsprogramme haben die dritttgrößte Volkswirtschaft dieses Planeten zum mit Abstand höchstverschuldeten Industrieland gemacht – weit vor Griechenland.

Mit Abenomics sollte sich das ändern, wenngleich die Rezepte eher altbekannt als revolutionär wirkten: Forciertes Gelddrucken sollte ein bisschen Inflation erzeugen, staatliche Multimilliarden-Investionsprogramme sollten der Wirtschaft den entscheidenden Kick für den folgenden Selbstaufschwung verpassen, und mit umfassenden Strukturreformen sollte das Ganze abgesichert werden.

Das hat am Anfang tatsächlich zum Teil geklappt: Die Kerninflationsrate stieg zuletzt auf 0,3 Prozent. Das ist zwar vom angepeilten Ziel von zwei Prozent noch ein schönes Stück entfernt. Aber immerhin: So stark stiegen die Preise seit 15 Jahren nicht. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten gab es wieder nennenswertes Wirtschaftswachstum. Und die Börse Tokio gehörte heuer zu den bestperformenden der Welt. Damit ist es jetzt aber schon wieder vorbei. Und im kommenden Frühjahr steht eine saftige Mehrwertsteuererhöhung an, deren wirtschaftliche Folgen durch ein neuerlich schuldenfinanziertes Konjunkturprogramm abgefedert werden.

Anders gesagt: Es sieht derzeit ganz danach aus, als habe Abenomics vorerst einmal nur zu einem kurz aufflackernden Strohfeuer geführt. Woran das liegt, ist für viele Ökonomen kein Geheimnis: Die sogenannte dritte Säule des Abe-Konzepts, die Strukturreformen, ist brüchig. Japan ist eben auch eine parlamentarische Demokratie, deren gewählte Regierung unter dem Druck starker Lobbygruppen steht. Diese – von den übersubventionierten Landwirten bis zu den Profiteuren des stark regulierten Arbeitsmarkts – haben bisher jede Reform im Keim erstickt. Gerade erst vor ein paar Wochen hat der wichtigste Berater des Premiers, der Unternehmer Hiroshi Mikitaki, sein Beratungsmandat hingeschmissen. Mit den Worten, die Strukturreformen seien „so schwach, dass es schwer ist, irgendjemanden zu finden, der das für eine Strategie hält“. Nach der großen wirtschaftspolitischen Wende sieht das nicht aus.


Was da passiert, sollten wir uns sehr genau ansehen. Denn die USA und Europa stehen nach dem 2008er-Crash jetzt ungefähr da, wo Japan Mitte der Neunzigerjahre war. Auch die Rezepte sind die gleichen: Geld drucken und schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme. Von echten Reformen ist allerdings ziemlich wenig zu sehen. Vor allem in Europa nicht, das ziemlich beängstigend den japanischen Weg geht.

Dabei sollte sich ja gerade am seit mehr als zwanzig Jahren gelebten Beispiel Japans sehr schön ablesen lassen, dass sich eine Krise wie die aktuelle mit Inflationieren und Schuldenmachen nicht beseitigen lässt. Es kann durchaus sein, dass es im kommenden Jahr (wie 2013 in Japan) zu einem kleinen Aufschwung kommt. Vor allem in den USA. Aber so lange die zugrunde liegenden Krisenursachen nicht beseitigt sind, wird es auch keine Konjunkturwende geben.

Dazu gehört neben lokal unterschiedlichen Reformnotwendigkeiten eine wirklich alle Industrieländer umspannende Reform des Bankwesens. Denn die Krise ist eine Finanzkrise. Sie wurde ausgelöst durch völlig unterkapitalisierte Systembanken, die schon bei relativ geringen Verwerfungen gerettet werden müssen und damit jegliches Risiko sozialisieren und in die Staatsschulden verschieben.

Das wurde bisher nicht repariert, auch die in diesem Punkt viel zu schwachen Basel-III-Regeln werden daran nichts ändern. Solange das Bankensystem auf so tönernen Füßen steht, wird man die Krise nicht ad acta legen können. Weder in Japan noch sonst wo auf der Welt.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.