Die Totengräber der Sozialdemokratie

Zum 125-Jahr-Jubiläum steckt die SPÖ in der Krise. Statt Arbeitnehmersorgen dominieren von Häupl bis Cap falsche Solidarität, Macht- und Geldgier.

Jeder Mensch hat ein Recht auf Erholung und Urlaub – auch ein Bundeskanzler. Werner Faymann sei daher die Zeit während der Feiertage mit der Familie zum Ausspannen gegönnt. Wenn der SPÖ-Vorsitzende körperlich und geistig erfrischt ins Bundeskanzleramt zurückkehrt, wird er merken, dass ein Spitzenpolitikerleben mehr als der Erhalt des Kanzleramts, eine geruhsame Koalition mit dem Lebensabschnittspartner ÖVP und der Besuch bei seinen Wiener Parteigenossen auf dem Donauinselfest als Höhepunkt ist.

125 Jahre hat die SPÖ seit der Gründung zum Jahreswechsel 1888/89 im niederösterreichischen Hainfeld überlebt. Geht der Schrumpfungsprozess so weiter, wird es statt einer 150-Jahr-Feier eher ein Totengedenken für die SPÖ geben. Die Totengräber der österreichischen Sozialdemokratie waren in den vergangenen Jahren schon fleißig am Schaufeln.

Zumindest der Überlebenstrieb ist bei führenden Genossen vorhanden. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder, eine Hoffnung der Nach-Faymann-SPÖ, also wohl nach der Wahl 2018, hat zum 125-Jahr-Jubiläum via Parteipressedienst festgestellt: „Die Klassen, wie sie früher existiert haben, gibt es heute nicht mehr, trotzdem bleibt es eine permanente Herausforderung, für soziale Gerechtigkeit einzutreten.“


Ein richtiger Befund. Aber was tut die SPÖ? Sie ruft den neuen Klassenkampf gegen „Reiche“ und „Millionäre“ aus. Viele Arbeitnehmer und auch Hackler haben es auch dank der Errungenschaften der SPÖ in den vergangenen Jahrzehnten zu Wohlstand mit Haus und viel Urlaub gebracht. Aber die SPÖ hat über Jahre die soziale und gesellschaftliche Entwicklung verschlafen, eine rote Politikergeneration von gestern hat ihre einstige Schutzfunktion auf teure Vorrechte für eine kleiner werdende Gruppe konzentriert und alltägliche Probleme der Arbeiter, der Beschäftigten, des kleinen Mannes ignoriert.

Das Paradebeispiel dafür liefert Wien. Die SPÖ-dominierte Stadt hat die Schwierigkeiten durch den Zuzug von Ausländern eineinhalb Jahrzehnte lang auch im politischen Sinn links liegen gelassen, exemplarisch etwa die Folgen für heimische (Arbeitnehmer-)Kinder in den Schulen.

Stattdessen verteidigt die hoch verschuldete Stadt millionenteure Sonderrechte für Magistratsbedienstete und hält das sogar für supersozial. Häupls notfalls machtbrutale SPÖ trägt auch die Hauptschuld daran, dass 2008 Pensionsreformpläne zur Berücksichtigung der steigenden Lebenserwartung im Bund abgewürgt wurden. Dafür büßen nun auch Bezieher kleinerer und mittlerer Pensionen durch niedrigere Erhöhungen. Ein Mann mit dem intellektuellen Format eines Michael Häupl verkörpert damit den Totengräber der Sozialdemokratie. Gott sei Dank gibt es noch den Wähler, der 2015 die Missachtung von Bürgeranliegen bestrafen kann.


Die Wähler haben das bereits 2013 eindrucksvoll getan, als die Glaubwürdigkeit von SPÖ-Politikern mit Füßen getreten wurde. Gabi Burgstaller, Salzburgs spektakulär verglühte rote Hoffnung, als Landeshauptfrau oberste Chefin eines Zockersystems mit Steuergeld, kann ein Lied davon singen. Ihr Linzer Kollege, Bürgermeister Franz Dobusch, ist dem durch Rückzug zuvorgekommen.

Faymann selbst hat als Vorwarnung schon zwei kräftige Ohrfeigen bekommen: zuerst im Oktober 2012 mit dem mageren 83-Prozent-Votum der Parteitagsdelegierten, dann – das wiegt viel schwerer – bei der Nationalratswahl 2013, als ihm nun ein schwacher ÖVP-Kandidat namens Michael Spindelegger den Verbleib im Kanzleramt gerettet hat.

Ex-SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer hatte zumindest Visionen von einer „solidarischen Hochleistungsgesellschaft“ als Antwort auf die Herausforderungen im neuen Jahrtausend. Faymann hat einen Klubobmann, den er abgehalftert, aber im parteieigenen Renner-Institut mit einer Gage untergebracht hat, von der gut verdienende Arbeitnehmer und erst recht Hackler nur träumen können. Es würde schon reichen, wenn sich Josef Cap nun Anfang 2014 eine Frage stellte: Wie weit ist meine Tätigkeit mit dieser Gage mit der des Machers eines glaubwürdigen SPÖ-Programms vereinbar? Gar nicht, Herr Mit-Totengräber!

E-Mails an:karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2014)

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