Ein Gebot der Sicherheit: Du sollst nicht „sparen“ sagen

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POLIZEIDIENSTSTELLEN(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Warum kann man bei Spitälern über Einsparungen reden und bei der Polizei nicht? Wie man eine vernünftige Maßnahme unglaubwürdig macht.

Eine Frage: Was machen Sie, wenn Sie dringend die Polizei brauchen? Anrufen oder zur nächsten Polizeistation fahren? Man darf vermuten: Ersteres.
Zweite Frage: Was erhöht Ihr Sicherheitsgefühl – mehr Polizisten auf Streife oder mehr Wachzimmer? Schon wieder gewinnt wahrscheinlich Antwort eins, das heißt, sofern man Ihnen zusichert, dass die Polizeistreife, die durch den Bezirk kreuzt, im Notfall gleich schnell da ist.
Letzteres weiß man leider nicht – unter anderem, weil Daten zu den Effekten von bisherigen Schließungen von Polizeistationen fehlen. Ein Fehler, wie Kriminalsoziologen klagen. Trotzdem macht derlei die Schließung von 122 Polizeistationen nicht zu der Attacke auf die öffentliche Sicherheit, die manche jetzt heraufbeschwören. Vielmehr ist die Idee vernünftig und auch gar nicht so neu. Denn schon im Vorjahr hat der Rechnungshof, konkret für Wien, darauf hingewiesen, dass es im Vergleich zu München zu viele Polizeiinspektionen gibt. Durch die große Anzahl werden logischerweise teure Chefposten geschaffen und die Polizisten an den Schreibtisch gebunden, weil die Dienststellen besetzt sein müssen. Insofern ist die Gleichung des Innenministeriums „Weniger Dienststellen, mehr Polizisten auf der Straße“ nicht verkehrt. Zudem fußt die derzeitige Anzahl der Wachzimmer nicht auf einer Strategie, sondern ist eher der historischen Entwicklung zu verdanken – die teilweise noch aus der Ära vor Telefon und Notruf stammt. Auch für das schnelle Tempo, mit dem die Innenministerin vorgeht, lässt sich schließlich noch ein ganz guter Grund finden: 2015 stehen in einigen Ländern Wahlen an – und da ist kaum etwas durchzubringen.
Ärgerlich ist an der Idee Mikl-Leitners tatsächlich etwas ganz anderes. Nämlich, dass sie das S-Wort nicht über die Lippen bringt: „sparen“. Die Innenministerin trommelt derzeit ernsthaft, dass es ein Erfolg sei, wenn 122 Polizeiinspektionen gesperrt werden und diese Aktion null Einsparungseffekt bringt. „Wir sparen uns keinen einzigen Cent“, wird Johanna Mikl-Leitner dieser Tage nicht müde zu wiederholen. Und ihr Echo hallt auch noch bei den meisten ÖVP-Landeshauptleuten nach: Nein, bei der Sicherheit werde sicher nicht gespart. Was einigermaßen absurd ist, denn schließlich weiß man, dass das Innenministerium wie alle Ministerien dringend sparen muss. Auch in den Regierungsverhandlungen wurde über die Reduktion der Inspektionen unter den Vorzeichen des Budgetlochstopfens diskutiert. Aber offenbar darf man das so nicht sagen. Die Präsentation der Innenministerin am Dienstag erinnert diesbezüglich an ihre erste Reaktion, als die nötige 38-Millionen-Euro-Einsparung für das Ressort bekannt wurde: Sie würde, hieß es sofort, aus Rücklagen gedeckt. Denn: „Bei der Sicherheit wird der Rotstift nicht angesetzt.“

Warum eigentlich nicht? Warum geniert man sich, bei der Sicherheit vom Sparen zu reden? Warum etwa ist es zumutbar, dass Wege zu einem Spital länger werden, aber nicht jener zur Polizeiinspektion? Liegt es nur an der Angst vor den (erwartbaren) Schlagzeilen mancher Zeitungen? Oder glauben Politiker – tief drinnen – nicht, dass sinnvolle Reformen gleichzeitig Kosten sparen können? Ersteres wäre bloß traurig. Zweiteres tatsächlich fatal.
Apropos fatal: Die Optik, dass Wien seine Postenschließungen später aushandeln darf, ist ziemlich schief, sie erfüllt das Klischee vom Wasserkopf mit Sonderwünschen wieder einmal perfekt. Zwar stimmt es, dass in der Bundeshauptstadt besondere Bedingungen herrschen – mehr Kriminalität, geringe Beliebtheit als Arbeitsplatz bei den Polizisten, starkes Bevölkerungswachstum. Aber hat Wien deshalb ein Recht auf ein „Sicherheitskonzept“ – und andere Länder nicht? Wenn es Bürgermeister Michael Häupl nur darum geht, die tausend zusätzlichen Polizisten, die Wien sowieso bis zum Wahljahr 2015 fix versprochen sind, als hart verhandeltes Gegengeschäft für die Schließung zu verkaufen, ist der Preis ein hoher. Denn er verstärkt beim Bürger das Gefühl, dass es bei den Schließungen nicht um richtige Maßnahmen nach objektiven Kriterien geht, sondern um einen Politpoker, bei dem der Verlierer am meisten – huch – sparen muss.

E-Mails an: ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2014)

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