Wirtschaft ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln

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Angesichts des Dramas auf der Krim sind Sanktionen gegen Moskau das Gebot der Stunde. Wer dagegen ist, hat nicht verstanden, wie Diplomatie funktioniert.

Was sich in den vergangenen Tagen und Wochen auf der Krim zugetragen hat, würde selbst einen Carl von Clausewitz überfordern. Aus der Feder des preußischen Chefstrategen stammt die Sentenz, Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Doch wie reagiert man auf eine Situation, die weder das eine noch das andere ist? Denn die Art und Weise, in der russische Truppen die Halbinsel unter ihre Kontrolle gebracht haben, hat nichts mit den Spielregeln einer militärischen Auseinandersetzung zu tun – es war ein asymmetrischer, ambivalent gehaltener Angriff, der von einer Desinformationskampagne flankiert wurde. Und die Weigerung Wladimir Putins, mit der Regierung in Kiew auch nur drei Worte zu wechseln, macht zugleich deutlich, dass der russische Präsident Politik als Mittel zur Bewältigung der Krise ablehnt. Moskau will nicht verhandeln, sondern Fakten schaffen.

Insofern ist es nicht verwunderlich, dass der Westen seine Schwierigkeiten damit hat, eine Antwort auf die russische Aggression zu finden. Wären auf der Krim Schüsse gefallen, täte man sich mit der Einordnung des Geschehens um einiges leichter. Es gibt aber noch zwei weitere Gründe, warum die anfängliche Reaktion so schaumgebremst war. Erstens, weil Putins Propagandisten gute Arbeit geleistet haben, wovon die mahnenden Worte diverser europäischer Entscheidungsträger Richtung Kiew zeugen, die ukrainische Regierung möge die Rechte der russischsprachigen Teile der Bevölkerung respektieren. Um es zum x-ten Mal zu wiederholen: Es gab und gibt keine Diskriminierung der Russo-Ukrainer, weder auf der Krim noch anderswo. Alle Bilder angeblich „faschistischer“ Gewalt, die über russische Fernsehbildschirme flimmern, sind fingiert.

Zweitens, und dieser Grund ist substanzieller: Es ist die unterschiedliche Interessenlage, die eine Reaktion erschwert. Wer (wie Österreich) viel Geld in Russland investiert hat oder (wie Zypern) von der Gunst russischer Oligarchen lebt, muss seine Interessen sorgsamer abwägen als etwa die USA, die mit niedrigem Einsatz gegen Putin pokern. Für die Zauderer steht fest, dass der Westen auf Diplomatie setzen muss, auf keinen Fall Sanktionen androhen darf. Wer dies macht, spielt mit dem Feuer und provoziert eine Neuauflage des Kalten Kriegs. So verständlich diese Sicht auch sein mag, sie ist grundlegend falsch. Angesichts des Dramas in der Ukraine sind wirtschaftliche Strafmaßnahmen gegen Moskau das Gebot der Stunde.

Der Verein der Mahner und Weichzeichner operiert mit einer Definition von Diplomatie, die überspitzt formuliert so lautet: Diplomatie ist, wenn Wladimir Putin im olympischen Dorf von Sotschi das Tirol-Haus besucht und dort wie der Erlöser empfangen wird. Gastfreundschaft und geselliges Beisammensein haben in zwischenstaatlichen Beziehungen durchaus ihre Berechtigung, doch sie sind nicht alles. Sanktionen gehören ebenso zum diplomatischen Werkzeugkoffer wie Galadiners, Staatsbesuche und die Verleihung von Orden. Selbst die Welthandelsorganisation WTO hält Handelsembargos in manchen Situationen für legitim. Wer Sanktionen als Gegenteil von Diplomatie sieht, hat nicht verstanden, wie diese funktioniert.


Leider ist diese Debatte das Symptom eines grundlegenden Problems. Während Putin die Wirtschaft als Mittel zum Zweck betrachtet, wovon der wiederholte Einsatz seiner Öl- und Gaswaffe zeugt, glaubt man in Teilen Europas allen Ernstes daran, der eigene Wohlstand habe nichts mit Politik zu tun. Angesichts der Tatsache, dass es ohne Marshallplan und Nato kein Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre gegeben hätte, ist dieser Glaube mehr als naiv.

Wenn aber die Politik dem Wohlstand den Boden bereitet, bedeutet das im Umkehrschluss, dass Wirtschaft durchaus die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sein kann, um Carl von Clausewitz zu paraphrasieren. In dessen Heimat, Deutschland, ist man mittlerweile so weit. Bundeskanzlerin Angela Merkel scheint sich von der Illusion verabschiedet zu haben, sie könne Putin bloß durch gutes Zureden umstimmen. Jetzt muss – und wird – die EU andere Register ziehen. Das ist sie nicht nur den Ukrainern schuldig, sondern auch sich selbst.

E-Mails an:michael.laczynski@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2014)

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