Wenn die FPÖ Jagd auf Mohammed macht

FPÖ & Co setzen schon so lange ungeniert auf Rassismus und Rechtsextremismus, dass das nur noch selten aufregt.

Die Vorgabe an angewandter Schwachsinnig- und Geschmacklosigkeit ist in der FPÖ naturgemäß hoch, aber die Grazer Spitzenkandidatin der Freiheitlichen hat es geschafft. Mit ihren sonntäglichen Aussagen hat sich Susanne Winter nicht nur fünf Minuten überregionale Aufmerksamkeit, sondern auch das interparteiliche Stammtisch-Eichenlaub verdient: Der islamische Prophet Mohammed wäre ein „Feldherr“, der den Koran in „epileptischen Anfällen“ geschrieben habe, gewesen. Da er ein sechsjähriges Mädchen geheiratet habe, wäre er „im heutigen System“ ein „Kinderschänder“.

Und die lokale Kreuzritterin weiter: Der Islam sei ein „totalitäres Herrschaftssystem“ und gehöre „dorthin zurückgeworfen, wo er hergekommen ist“. „Hinter das Mittelmeer“ nämlich. Dieses historische und geopolitische Detail hat sie übrigens von Filip Dewinter vom rechtsextremen belgischen Vlaams Belang, der im November zur Unterstützung der FPÖ nach Graz reiste, dort mit diesen Worten für ein islamfreies Europa – übrigens nach 1300 Jahren – warb und Winter herzte.

Durch diesen unerträglichen verbalen Ausfluss, der auch ein Fall für Arzt oder Apotheker ist, aus Heinz-Christian Straches Anti-Islam-Text-Werkstatt gingen am Sonntag die verbal-gewalttätigen Angriffe gegen Ausländer und Bettler aus dem zu Ende gehenden Wahlkampf fast unter, ebenso wie die Aussagen des FPÖ-Ablegers mit der orangen Parteifarbe und dem Kärntner Landeshauptmann als Zugpferd. Dessen Statthalter, dessen Namen man sich nicht merken muss, will Graz von Drogendealern und jenen, die für ihn so aussehen, säubern. Im skurrilen Wettstreit um die Anti-Ausländer-Aufmerksamkeit ließ er sogar Besen verteilen. Es geht auch dumpf-gefährlich ganz ohne Wahlkampf: Die Wiener FPÖ meint, dass die Asylbewerber für ansteckende Krankheiten wie Hepatitis A und Tbc in Österreich verantwortlich seien, Wiens Bürgermeister müsse daher „die gesundheitlichen Risiken der Masseneinwanderung“ (!) erkennen und bestimmte Personengruppen wie Asylanten verpflichtend untersuchen lassen.

Dennoch hielten sich die Aufregung und der öffentliche Protest über solche Aussagen und Positionen in den vergangenen Monaten sehr in Grenzen, nach mehr als zwanzig Jahren dauerndem dumpfem Rechtspopulismus von Jörg Haider und seinen späteren Imitatoren scheint die öffentliche Haltung merkwürdig abgestumpft, die mediale Wahrnehmungsschwelle liegt bereits bei Kinderschänder-Mohammed-Aussagen, „darunter“ schafft es die FPÖ nur noch selten.

Dass diese (un)absichtliche Nicht-Berichterstattung (ähnlich wie die ständige Negativ-Thematisierung) das adäquate Mittel gegen den Rechtspopulismus sein könnte, wird von Umfragen widerlegt: Die Freiheitlichen gewinnen – im Gegensatz zum Kärntner Bündnis Zukunft Österreichs – konstant und liegen wieder deutlich vor den Grünen, deren politischer Scheintod das Überholmanöver allerdings beträchtlich erleichtert hat. Dadurch und dank tiefen Niveaus bei den vergangenen Urnengängen werden die kommenden Wahlen wohl alle ein mehr oder weniger kräftiges Plus für Heinz-Christian Straches Partei bringen, seine Stunde wird bei den Nationalratswahlen schlagen. Gegen eine sich gegenseitig bekämpfende, bedienende und lähmende große Koalition hat er leichtes Spiel – schlag nach bei Jörg Haider. Das ist nur einer der vielen Gründe gegen eine solche Koalition.


Zugegeben, Heinz-Christian Strache ist nicht Jörg Haider. Die Mühe, eigene inhaltliche Gegenpositionen zu Rot-Schwarz – von der Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft in den Kammern bis zur Zusammenlegung der diversen Pensionsversicherungsanstalten – zu entwickeln, wie sie Jörg Haider einst vorlegte (und später vergaß), tut sich kein Freiheitlicher mehr an. Daher wird Strache nicht auf 20 Prozent plus kommen, aber mehr als zehn Prozent plus reichen auch für jemanden, der Diktator Hugo Chávez einen „mutigen, unkonventionellen und erfolgreichen Politiker, der dem US-Imperialismus wacker trotzt und für die ärmeren Schichten Venezuelas ein wirklicher Hoffnungsträger sei“, nennt. Dass weder Alfred Gusenbauer noch Wilhelm Molterer eine Koalition mit solchen Figuren offiziell ausschließen, zeigt nicht nur, wie schmutzig politische Strategie manchmal ist. Sondern auch, wie bedauernswert Kanzler und Vizekanzler eigentlich sind.

Grazer Wahlkampf, Islam-AussagenSeite 2

Wiener FP über Krankheiten Seite 10


rainer.nowak@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2008)

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