Die Radikalisierung bleibt uns erspart

Die Grazer Wähler strafen die FPÖ ab: Die anti-islamische Provokation kommt doch nicht so gut an.

Es gibt also doch eine Grenze, ab der Unappetitliches vom Wähler abgestraft wird. Die FPÖ hat bei der Gemeinderatswahl in Graz elf Prozent der Stimmen erhalten. Das ist zwar mehr als im Jahr 2003 - es wäre aber noch deutlich mehr für die Freiheitlichen drinnen gewesen. Immerhin war die FPÖ bei der letzten Wahl - kurz nach den Turbulenzen von Knittelfeld - auf einem historischen Tiefststand. Graz ist eine traditionelle Hochburg des dritten Lagers, da hätte die FPÖ eigentlich mehr als die 13 Prozent Stimmen bekommen müssen, die die Partei derzeit laut Umfragen bundesweit hat. Man kann davon ausgehen, dass die dümmlichen anti-islamischen Provokationen der Spitzenkandidatin der FPÖ einen deutlichen Wahlerfolg gekostet haben.
Das ist nicht nur für Graz von Relevanz, in diesem Fall ist eine Kommunalwahl ausnahmsweise auch einmal von bundespolitischer Bedeutung. Wäre Susanne Winter erfolgreich gewesen, dann hätte man sich leicht ausrechnen können, wie die kommenden Wahlkämpfe verlaufen wären: Der Ton in der Ausländerfrage wäre noch schärfer geworden, auch andere Parteien hätten sich ein Beispiel am Erfolgskonzept genommen. Dies hätte zu einer Radikalisierung geführt - mit unabsehbaren Folgen auch für die Sicherheit des Landes.
So hat die Beschimpfung des Propheten Mohammed im Vorfeld der Grazer Wahl zu einer deutlichen Zurückhaltung bei den anderen Parteien geführt. Die ÖVP, die in den vergangenen Monaten bemüht war, mit Sprüchen wie "artfremden Minaretten" die rechte Flanke selbst abzudecken, hat in der vergangenen Woche nichts mehr in diese Richtung verlauten lassen. Innenminister Günther Platter, der sich als Hardliner in der Volkspartei positioniert hat, sprach sogar von positiven Aspekten, die Menschen mit Migrationshintergrund einbringen können - das sind vorher nicht gehörte Töne. Das Wahlergebnis könnte da auch zu einem Umdenken führen.

Die FPÖ wird überlegen müssen, wie sie verhindert, dass aus dem relativ schlechten Grazer Ergebnis ein negativer Bundestrend entsteht. Vermutlich wird Spitzenkandidatin Susanne Winter nicht mehr so viel Solidarität in ihrer Partei verspüren wie noch knapp vor der Wahl. Die Frage ist, ob sie den Stadtratssitz, den sie für ihre Partei erobert hat, auch selbst einnehmen wird dürfen.
Klarer Wahlsieger ist ÖVP-Spitzenkandidat Siegfried Nagl, der mit einem unspektakulären Wohlfühl-Wahlkampf die Führungsposition seiner Partei klar behauptet hat und wohl für weitere fünf Jahre Bürgermeister bleiben wird. Er hat zwar nur knapp dazu gewonnen. Wesentlich ist aber, dass sich eine rot-rot-grüne Mehrheit im Gemeinderat nun nicht mehr ausgeht - und damit auch keine Konstellation, in der eine andere Partei den Bürgermeister stellen könnte. Zugute gekommen ist ihm natürlich der Bürgermeister-Bonus, aber auch die Schwäche seines Herausforderers. Walter Ferk hat nach dem katastrophalen Abschneiden der SPÖ vor fünf Jahren noch weiter verloren. Die einst mächtige Stadtpartei liegt nur noch bei blamablen zwanzig Prozent. Der SPÖ-Chef hat bereits die Konsequenzen gezogen und ist zurückgetreten. Weder Nagl noch Ferk haben einen aggressiven Wahlkampf betrieben, für den Bürgermeister hat sich die Strategie als erfolgreicher erwiesen.

Zweiter Wahlsieger neben der ÖVP sind die Grünen. Sie haben ihr Wahlergebnis nahezu verdoppelt und damit zumindest annähernd das Potenzial ausgeschöpft, das für die Öko-Partei in einer Universitätsstadt drinnen ist. Die KPÖ hat nach dem Wechsel ihres Zugpferdes Ernest Kaltenegger die erwarteten Verluste eingefahren. Mehr als elf Prozent der Stimmen und Platz vier noch vor der FPÖ sind für eine kommunistische Partei in Österreich aber immer noch überraschend viel. Graz ist in dieser Hinsicht immer noch ein Phänomen. Einen Achtungserfolg konnte das BZÖ verzeichnen, das erstmals außerhalb Kärntens ein halbwegs akzeptables Ergebnis verzeichnen konnte.
Bundespolitisch ist die Grazer Wahl - abgesehen von der klaren Absage an den radikalen Kurs der FPÖ - wenig aussagekräftig. Die beiden Koalitionsparteien haben zusammengerechnet etwa so viele Stimmen wie bei der letzten Wahl. Daraus lässt sich weder großer Zuspruch noch eine große Absage an die Regierung Gusenbauer ablesen. Und dass die ÖVP auf Kosten der SPÖ zugelegt hat, ist sicherlich auf lokale Faktoren zurückzuführen. Testwahl war das in der Hinsicht also keine - da wird man wohl auf die niederösterreichische Landtagswahl im März warten müssen.

martin.fritzl@diepresse.com

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