Prüfungsfragen

STARTSCHUSS ZUR GENERALPROBE FUeR DIE ZENTRALMATURA
STARTSCHUSS ZUR GENERALPROBE FUeR DIE ZENTRALMATURAAPA/GERT EGGENBERGER
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Nicht nur die Schüler kommen ins Schwitzen: Die (Zentral-)Matura stellt die Bildungsministerin, die Lehrer und Direktoren, aber auch die Eltern auf den Prüfstand.

Nennen Sie jene Reformmaßnahmen, die das Schulsystem in Ihren Augen am deutlichsten verbessern könnten, und begründen Sie Ihre Wahl“: Würde man Schülern bei der Matura diese Aufgabe stellen, steht die Wettquote für die Antwort „Zentralmatura“ wohl schlecht. Zu Recht. Denn eine Maturareform ist sicher nicht das, was die Schule am dringendsten braucht. Warum gerade sie dann durchgezogen wird? Vermutlich, weil sie den Verantwortlichen im Vergleich zu anderen Reformvorhaben relativ einfach umsetzbar schien.

Insofern ist es ein Treppenwitz, dass sich ausgerechnet die Zentralmatura zum Stresstest für die Bildungsministerin entwickelt. Erst wird die neue Matura um ein Jahr verschoben und nun macht man bei der Generalprobe erst recht Fehler: Die Lehrer wurden schlecht über die Bewertungsschlüssel informiert, bei Mathematik fehlten Beispiele und in Deutsch wurde ein Text ohne ausreichenden historischen Kontext vorgesetzt. Hauptverantwortlich dafür ist das BIFIE, jenes Bildungsinstitut, das zuletzt durch ein Leck bei Schülerdaten berühmt wurde. Dass Gabriele Heinisch-Hosek jetzt dem BIFIE mit Teilschließung droht, ist verständlich, kommt aber spät. Das üppig finanzierte und dem Ministerium nahestehende Institut wird vom Rechnungshof schon seit Jahren kritisiert – als viel zu teuer und zu wenig effizient. Braucht es in Sparzeiten wirklich eine Pannenserie, damit die Ministerin nachzudenken beginnt, ob man sich ein Institut, das einige seiner Kernkompetenzen nicht beherrscht, leisten will? Die Antwort ist leicht: offenbar.

Eine andere Antwort sucht man noch: Warum will die Ministerin das Abschneiden der Schulen bei der Zentralmatura eigentlich nicht veröffentlichen? Der Charme einer zentralisierten Matura besteht ja nicht nur darin, dass sie Vergleichbarkeit zwischen den Zeugnissen schafft. Ein Dreier ist ein Dreier, egal, in welcher Schule man war. Mit der Zentralmatura lassen sich auch die Schulen vergleichen, weil klar wird, welche Schulen es schaffen, ihren Schülern die Maturamindeststandards zu vermitteln. Keine angenehme Prüfung für Direktoren und Lehrer, aber das Ergebnis würde die Eltern sicher interessieren. Vielleicht – das ist ein heikler Punkt – sogar zu sehr.

Der Tunnelblick. Denn obwohl die Matura (vor allem die AHS-Variante) real an Bedeutung verloren hat, weil immer mehr Unis und Firmen Aufnahmetests machen, sind viele Eltern auf sie fixiert. Wer aus dem mittleren Angestelltenmilieu kommt, ist schließlich mit Sätzen wie „Was du im Kopf hast, kann dir keiner nehmen“ aufgewachsen. Bildung, lautet das Mantra, ist die Lösung für alles, und gerade, wo es keine Reichtümer gibt, will man zumindest Wissen vererben. Wobei Bildung durch den formalen Tunnelblick gesehen wird: Matura, dann Studium. Kinder, sensibel für die Wünsche und (Abstiegs-)Ängste der Eltern, schlagen sich deshalb nicht akademische Karrieren mitunter vorsorglich aus dem Kopf. Erst mit Mitte 30 oder 40 traut man sich manchmal auf das umzusatteln, was man vielleicht immer wollte.
Absurd eigentlich: Wenn sich ein Akademiker entscheidet, ein rares Handwerk zu lernen, finden das alle chic, bei einem 16-Jährigen hingegen ist dieselbe Entscheidung eine Katastrophe. Nassim Taleb, Autor und provokanter Denker, nennt das gern „grassierende Pseudointellektualität“. Dass etwa die Schweiz (ein Land mit niedriger Maturantenquote) immer mehr mittelmäßige Manager und immer weniger fantastische Uhrmacher ausbilde, sei wirtschaftlich dumm, sagt er. Jetzt ist ein Uni-Professor, der Unis für brillante Forscher reservieren will, kein Sympathieträger und tatsächlich muss Eltern die volkswirtschaftliche Konsequenz der Karriere ihrer Kinder nicht kümmern. Kümmern sollte sie aber ein Stück Lebensglück. Gerade zur Maturazeit darf man sich daran erinnern, dass es nicht nur einen Weg zur „Reife“ gibt. Und dass einem die wichtigsten Noten im Leben ohnehin nur einer geben kann: man selbst.

ulrike.weiser@diepresse.com

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