Die Österreicher sind nicht so einfältig, wie Politiker glauben

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Faymann und Spindelegger führen Schaukämpfe um die Steuerreform. Der Beweis für eine ernst gemeinte sinnvolle Entlastung ist längst überfällig.

Der Bundeskanzler hat vollkommen recht: „Diese Steuerreform muss kommen“, verlautbarte Werner Faymann am Montag via ORF. Es grenzt ohnehin an ein Wunder, dass sich die Österreicher angesichts einer Rekordablieferquote an Finanz und Sozialversicherung so lange mit Versprechen hinhalten lassen. Faymanns Regierung sollte aber diese Engelsgeduld nicht missinterpretieren. Die Steuerzahler durchschauen sehr wohl, dass SPÖ und ÖVP einander gerade wieder um eine Steuerreform einen Schaukampf um Termin und Gegenfinanzierung liefern.

Faymann hat vollkommen recht: „Wer das nicht sieht, ist auf einem Auge blind.“ Der Regierungschef hat den Satz freilich nicht als Selbstkritik gemeint, sondern als Schelte verstanden, weil Vizekanzler und Finanzminister Michael Spindelegger bei Vermögensteuern abblockt.

Der SPÖ-Chef kündigt nun den Österreichern an, in „unserer größten Kampagne“ für eine Steuerreform zu werben. Glaubt Faymann wirklich, einigermaßen Politikinteressierte merken nicht, dass sein jetzt verstärkter Einsatz aus Eigennutz mit Blick auf die Wiederwahl beim SPÖ-Bundesparteitag im Herbst erfolgt? Vier Monate hat der Kanzler seit der nicht denkwürdigen Regierungsklausur Mitte Jänner in Waidhofen an der Ybbs verstreichen lassen, bis sich die Regierung jetzt dazu bequemt, eine Steuerexpertenkommission einzusetzen. Wenn es in diesem „Höllentempo“ weitergeht, dürfen die Österreicher nicht 2015 und auch nicht 2016, sondern irgendwann 2025 mit einer Lockerung der Steuerschraube rechnen.

Wie wenig ernst Faymann den berechtigten Unmut der Österreicher, vor allem der Arbeitnehmer, über die hohe Steuerlast nimmt, hat er im Vorjahr bewiesen. Zwei Wochen vor der Nationalratswahl wurde von den SPÖ-Wahlkampfstrategen ein Steuersenkungsplan aus der Schublade gezaubert. Im Regierungspakt mit der ÖVP hat sich seine Partei um konkrete Entlastungsschritte herumgeschwindelt. Der zweifelhafte Tiefpunkt an Wählerpflanzerei blieb zuletzt den Abgeordneten von SPÖ und ÖVP vorbehalten. Wenn zwei Tage vor der EU-Wahl eilig ein Entschließungsantrag zur Steuerreform gebastelt wird, merkt selbst ein mittelmäßig begabter Hauptschüler, für wie blöd die Koalition die Menschen im Land hält.

Dabei hat Vizekanzler Spindelegger recht, wenn er eine „Steuerreform auf Pump“ ablehnt. Er hat auch recht, wenn er zur Finanzierung auf Einschnitte bei Förderungen und Verwaltungsreformen drängt. Die ÖVP hätte sich allerdings ihre Armada an Politikern sparen können, die am Montag die Redaktionen mit gleichlautenden Presseaussendungen („Echte Reformen statt neuer Schulden“) eingedeckt hat. Die ÖVP sollte nicht glauben, den Bürgern wäre verborgen geblieben, dass Spindelegger bei den Budgets 2014/15 die Hände gleich einmal vom 16-Milliarden-Fördertopf regelrecht weggerissen hat, weil er sich nicht mit Fördernehmern anlegen wollte. So viel dazu, wenn Spindelegger nun Faymann Unehrlichkeit vorwirft.

Faymann hat recht, wenn er zugleich eine ernsthafte Debatte über Steuern auf Vermögen(szuwächse) verlangt. Zu sehr ruht die Steuerlast in Österreich auf den Schultern der Arbeitnehmer. Es gibt aber berechtigte Bedenken, dass eine Reform von der SPÖ bloß zur Umverteilung statt zu einer Steuerentlastung genützt wird.

Landeshauptleute wie der Vorarlberger Markus Wallner (ÖVP) haben offenbar wenig Vertrauen in ihre eigenen Leistungen. Sonst würden sie nicht glauben, mit ein paar lauten Rufen nach einer baldiger Steuerentlastung die absolute Mehrheit bei der Landtagswahl retten zu können. Glück auf auch dem Gewerkschaftsbund! Dieser hat nach einem Vierteljahrhundert bemerkt, dass die kalte Progression einen (Groß-)Teil der ausgehandelten Lohnerhöhungen auffrisst und dem Finanzminister sichere Milliardenmehreinnahmen beschert.

Die Einsetzung der Steuerkommission sollte der Anfang vom Ende sein: Schluss mit taktischen Spielchen, her mit einer ernsthaften Entlastung. Eine Fortsetzung so plumper Schmähs haben die Österreicher nicht verdient.

E-Mails an:karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2014)

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