Werner Faymanns letzte ruhige Tage

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MINISTERRAT: FAYMANN(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Ein Parteitag, fünf Landtagswahlen: Ob der Kanzler das nächste Jahr als SPÖ-Vorsitzender übersteht, wird maßgeblich von der Steuerfrage abhängen.

Nach dem 10. Juli, dem Tag der letzten Nationalratssitzung vor der Sommerpause, machen auch die meisten Regierungsmitglieder ein bisschen Ferien. Werner Faymann wird, wie wir seit der Lektüre der heurigen Politikerurlaubsgeschichten wissen, mit seiner Familie zwölf Tage in Dalmatien verbringen. Der Kanzler möge sich gut erholen, es werden seine letzten ruhigen Tage für sehr lange Zeit sein.

Einen kleinen Vorgeschmack auf das, was ihn spätestens ab September erwartet, bekommt Faymann schon heute, Donnerstag, wenn der ÖGB-Vorstand den Startschuss für seine Gerechtigkeitskampagne gibt. Eine Unterschriftenaktion für eine baldige Steuerentlastung läuft bereits, im Herbst will man gemeinsam mit der Arbeiterkammer ein Reformkonzept präsentieren. Vermögensteuern inklusive.

Angesichts des hohen Stellenwertes, den die Gewerkschafter seit Faymann wieder innerhalb der SPÖ genießen, kann man sich die Auswirkungen dieser Aktion auf die Regierungsarbeit schon ungefähr ausmalen. Noch dazu hat der linke Parteiflügel rund um die ÖGB-Fraktion selten ein besseres Druckmittel zur Hand: Ende November steht ein Parteitag an, bei dem Faymann als SPÖ-Vorsitzender wiedergewählt werden will. Die Blamage vom Herbst 2012 darf sich nicht wiederholen, damals wählten ihn nur 83,4 Prozent der Genossen.

Daneben kommt eine Serie an Landtagswahlen auf den Regierungschef zu, die aus heutiger Sicht nicht gerade dazu angetan scheint, der SPÖ ein Erfolgserlebnis nach dem anderen zu bescheren. Die Vorarlberg-Wahl am 21. September ist da noch Faymanns geringstes Problem, obwohl seine Partei auf Platz fünf abzurutschen droht, noch hinter die Neos, schlimmstenfalls sogar mit einem einstelligen Ergebnis.


Die großen Prüfungen folgen allerdings erst 2015, nämlich Landtagswahlen in gleich vier Bundesländern. Dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl darf noch am ehesten zugetraut werden, dass er seinem Bundesparteichef, wenn schon kein Zwischenhoch, so zumindest eine Verschnaufpause verschaffen kann.

In Oberösterreich sind Zugewinne für das neue SPÖ-Team um Reinhold Entholzer immerhin wahrscheinlich, nachdem man 2009 auf 25 Prozent abgestürzt ist. Platz eins dürfte allerdings außer Reichweite sein, da müssen sich Landeshauptmann Josef Pühringer und die ÖVP keine allzu großen Sorgen machen.

Doch dann wären da noch die Steiermark und Wien, wo Bürgermeister Michael Häupl von einer absoluten SPÖ-Mehrheit derzeit ungefähr so weit entfernt ist wie die ÖVP vom Bürgermeistersessel. Heinz-Christian Strache und die FPÖ werden wieder das Duell mit Häupl ausrufen, die Grünen sind in Wien kontinuierlich auf dem Vormarsch, mit den Neos kommt auch hier Konkurrenz dazu.

In der Steiermark bahnt sich inzwischen ein Dreikampf um Platz eins an. Die SPÖ – ob nun mit oder ohne Franz Voves – muss sich nicht nur gegen die ÖVP behaupten, sondern auch gegen die FPÖ, die bei der Nationalratswahl und dann gleich noch einmal bei der EU-Wahl stärkste Partei geworden ist.

Ein verlorener Landeshauptmann in der Steiermark und ein Wien-Ergebnis unter 40 Prozent wären wohl der größte anzunehmende SPÖ-Unfall seit dem Jahr 2000, als Wolfgang Schüssel an die Macht kam. Vermutlich reicht schon eines der beiden Szenarien aus, um Zweifel an Faymanns weiterer Befähigung zur Führung der Sozialdemokratie zu wecken. Wie schnell das gehen kann, weiß er selbst am besten: Alfred Gusenbauer lässt herzlich aus dem kapitalistischen Exil grüßen.


So weit muss es allerdings nicht kommen. Die Wahlergebnisse und mit ihnen Faymanns weiterer Karriereweg werden – neben den jeweiligen regionalpolitischen Faktoren – maßgeblich davon abhängen, ob der Bundeskanzler sein großes Versprechen halten kann: eine Steuerentlastung im Jahr 2015.

Vorerst ist zwar noch unklar, wie Faymann seinen Koalitionspartner von diesem Zeitplan zu überzeugen gedenkt, zumal man bei der Frage der Gegenfinanzierung nicht weiter voneinander entfernt sein könnte (Vermögensteuern oder Strukturreformen). Aber unter der dalmatinischen Sonne soll ja schon so mancher einen genialen Einfall gehabt haben.

E-Mails an: thomas.prior@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2014)

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