Die bildungspolitische Ghettoklasse

Maximilian Krauss
Maximilian KraussClemens Fabry
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Die Integrationsdebatte ist eine rein bildungspolitische. So wird sie auch diskutiert. Im Kampf um die Maximierung des parteipolitischen Nutzens fällt oft nicht auf, dass man über Ähnliches redet.

Wenn es sensible Zukunftsthemen gibt, die sich nicht zur Schwarz-Weiß-Malerei eignen, sind es die Integrations- und die Bildungspolitik. Das hindert natürlich kaum jemanden in diesem Land, genau dabei ohne jede Differenzierung Stimmung zu machen. Im Gegenteil. Wir kennen das von den Schlachtrufen „Gesamtschule!“ und „Deutschpflicht!“.

Seit vergangener Woche hat sich nun wieder das dümmliche Schlagwort „Ghettoklassen“ zur nachdenkfreien Debatte dazugesellt. Zu Beginn hat Maximilian Krauss, Heinz-Christian-Strache-Eleve aus der Wiener FPÖ, mit seiner Entsendung als stellvertretender und strukturell überflüssiger Stadtschulratsvize, das Thema unfreiwillig aufs Tapet gebracht: Ausländer sollten auch in eigene „Ausländerklassen“, so der Mann in einem ersten Interview. Wobei Ausländer all jene seien, die schlecht Deutsch sprächen. Also auch autochthone – ein von der FPÖ in diesem Zusammenhang gern verwendeter Begriff – Österreicher mit schwacher Grammatik? Das war der FPÖ dann doch auch wieder nicht recht. Im „Presse“-Interview am Samstag sagte Krauss (nach einigem Nachdenken) dann, die lernschwachen österreichischen Schüler sollten nicht in Ausländerklassen, sondern in „Deutschlernklassen“.

Wie Strache nach Ibiza. Der junge Mann war, so oder so, jedenfalls stolz ob der medialen Aufmerksamkeit. Ende der Woche war er dann fast schon so groß wie Heinz-Christian Strache nach dem Ibiza-Urlaub: Denn ausgerechnet der Integrationsbeirat empfehle eine Art Ausländerklasse, wurde da vermeldet. Morgen, Montag, wird der Integrationsbericht von Sebastian Kurz und Experten vorgestellt, eine der vielen Maßnahmen sei eben die Einrichtung spezieller Förderklassen für gerade zugezogene Ausländer oder eigene Förderklassen für sehr junge Schüler, die mit schlechten Deutschkenntnissen in die Schule eintreten. Dass das nicht „Ghettoklassen“ sind, wie sie die FPÖ (für manche) wünscht und die Grünen ablehnen, wurde erst nach einigen Stunden klar.

Und schon distanzierten sich auch die ersten Experten, die im Integrationsbeirat mitwirken, von der verkürzten Forderung. Es gehe vielmehr um zeitlich begrenzte Crashkurse für Kinder mit Sprachproblemen etwa in den Sommermonaten, meint nun etwa der Vorsitzende des Beirats, Heinz Faßmann. Von der Errichtung eines Parallelschulwesens sei keine Rede. (Solche Förderkurse werden übrigens bereits im städtischen Raum immer häufiger praktiziert, aber das soll die Diskussion nicht unnötig verkomplizieren.)

Es wird mehr kosten.
Mit diesem Weg kann wohl kein vernünftig denkender Mensch ein ernsthaftes Problem haben. Und noch zwei überlegenswerte Vorschläge: Die sprachliche Frühförderung soll (noch einmal) ausgebaut werden, und die Einführung eines verpflichtenden zweiten Kindergartenjahres soll auch ohne parteipolitischen Schaum diskutiert werden. Klar ist jedenfalls: Das alles wird mehr Geld kosten. Dafür werden mehr Pädagogen und besser(!) bezahlte Kindergärtner benötigt werden.

Interessanterweise sagt das kaum einer laut. Die Gegenfinanzierung dafür wird nicht ganz leicht, Reformen und Einsparungen in der Verwaltung sind eine schwierige Sache. In Wien kann sich die größte Oppositionspartei nicht einmal die Abschaffung des überflüssigen Postens eines Stadtschulratsvizepräsidenten vorstellen. Stattdessen wird da lieber weiter parteipolitisch und ideologisch Wahlkampf betrieben, dem sich auch der Bürgermeister der Stadt Wien nicht entziehen kann und will. Wobei bei Michael Häupl auffällt: Er hat sich zwar lautstark gegen die formale Vorgangsweise der FPÖ gewehrt und betont, dass er das Recht habe, Krauss als Stadtschulratsvize abzulehnen. Nur explizit sagen, ob er Krauss ablehnen werde oder nicht, wollte er nicht. So schüchtern kennen wir ihn gar nicht.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2014)

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