Um die Kreditvergabe anzuheizen, will die EZB Banken ihre Risken abnehmen. Wie so etwas enden kann, sah man diese Woche hierzulande.
Drei interessante Ereignisse fanden in der vergangenen Woche statt: Am Dienstag veröffentlichte die Statistik Austria die Neuberechnung der heimischen Staatsschulden, am Mittwoch startete in Wien der Strafprozess zur Kommunalkredit-Pleite, und am Donnerstag fand in Neapel eine EZB-Sitzung statt. Auf den ersten Blick haben diese drei Ereignisse nur wenig miteinander zu tun – im Kontext betrachtet, stellen sie jedoch ein äußerst bedrohliches Bild dar.
Der Startpunkt dafür ist das Ereignis des Mittwochs – der Prozess über die Kommunalkredit. Das ist jene Bank, deren Pleite häufig im medialen Schatten der Hypo-Affäre steht, wiewohl ihre Auswirkungen auf die Steuerzahler nur geringfügig kleiner sein dürften. Dieses mittelgroße Institut, das sich eigentlich auf die Finanzierung von Gemeinden spezialisiert hatte, wollte zur Mitte der Nullerjahre hoch hinaus. Im Rahmen eines schwindelerregenden Expansionskurses wurde mit allerhand Wertpapieren spekuliert und dabei viel zu viel Risiko übernommen.
Die Sache ging gut – bis zum Jahr 2008. Denn als die Finanzkrise begann, den Geldmarkt auszutrocknen, und der Wert des Wertpapierportfolios nach unten stürzte, war plötzlich Feuer am Dach. In Panik versuchte das Management noch, faule Wertpapiere in Zweckgesellschaften zu verstecken, doch es half alles nichts: Die Kommunalkredit schlitterte in die Pleite, die Republik sprang per Notverstaatlichung ein. (Nebenbei bemerkt: Im Prozess geht es weder um das zu hohe Risiko noch das Verstecken der Papiere – beides war legal, sondern nur um die Frage, ob die Bank im Rahmen des Versteckens geschädigt wurde.)
Dies führt uns bereits zum Ereignis des Dienstags: An diesem Tag gab die Statistik Austria bekannt, dass der heimische Schuldenstand heuer von 74,5 auf 87 Prozent des BIPs hochschnellen wird. Grund dafür ist die Einberechnung von Schulden, die bislang außerhalb der offiziellen Statistik gehalten wurden – darunter auch 7,2 Milliarden Euro für die Bad Bank der Kommunalkredit, die KA Finanz. Jenes Institut also, in dem die faulen Wertpapiere gebündelt sind, die einst von der Kommunalkredit aufgrund hoher Renditeversprechen gekauft wurden und die später zu deren Untergang führten. Durch die Notverstaatlichung wurden sämtliche Risken dem heimischen Steuerzahler umgehängt.
Und das führt wiederum zum Ereignis des Donnerstags – der Sitzung der Europäischen Zentralbank in Neapel. Dort erklärte EZB-Chef Mario Draghi, wie er die Kreditklemme in den südeuropäischen Ländern aufbrechen will. Denn trotz Rekordtiefstands bei den Zinsen will und will die Wirtschaft nicht anspringen. Dass der Grund dafür eher in der fehlenden Nachfrage infolge der allgemeinen Verunsicherung und des nach wie vor wirtschaftsfeindlichen Umfelds in vielen südlichen Ländern zu suchen ist, wie viele Ökonomen meinen, focht Draghi dabei nicht an. Er will die Kreditvergabe um jeden Preis anheizen. Daher kündigte er an, dass die EZB den Banken künftig faule Wertpapiere abkaufen wird. So hätten diese ihre Bilanzen saniert und könnten wieder neue Kredite vergeben.
Dieser Schritt der EZB wird von fast allen Ökonomen nördlich des Alpenhauptkammes rigoros abgelehnt. Ihnen zufolge macht Draghi die EZB zu einem „Endlager für finanziellen Atommüll“. Und auch im Präsidium der Zentralbank blieb das Vorgehen nicht unwidersprochen – neben dem deutschen Bundesbank-Präsidenten, Jens Weidmann, stimmte auch der Nationalbank-Chef Ewald Nowotny dagegen. Ein richtiger Schritt, denn auch wenn es nichts gebracht hat, kann später zumindest niemand sagen, man habe nichts gewusst.
Wie einst bei der Kommunalkredit werden auch nun wieder die grundsätzlichen Spielregeln des Marktes außer Kraft gesetzt, wonach jener, der die Rendite erhält, auch das Risiko tragen muss. Dieses Mal müssen die Banken aber nicht einmal in die Pleite schlittern, bevor sie ihre toxischen Papiere den Steuerzahlern umhängen können. Die Gefahr ist also groß, dass die Statistiker in einigen Jahren die Schulden der EU-Staaten erneut neu berechnen müssen.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2014)