„Wir werden das schon, zum Wohl des Landes . . .“

Die Posse um einen verschobenen „Krone“-Beitrag im ORF ist nicht bloß heiteres Sommertheater.

Am Mittwoch, dem 14. August, hat die ORF-Führung einen ZiB-Beitrag über die Faymann-Unterstützung durch die „Kronen Zeitung“ aus dem Programm genommen. Er sei noch nicht fertig gewesen. Interessanterweise war er das am Freitag auch noch nicht. Auch nicht am Samstag oder am Sonntag, obwohl Fernsehredakteure ja sonst eher zu den schnellen Arbeitern zählen. Am Montag kam, siehe da, die „Kronen Zeitungs“-Story dann doch noch zur Ausstrahlung.

Zuvor hatte sich aus der ganzen Sache eine Aufregung entwickelt, von der man noch nicht genau weiß, ob sie auch das Zeug zum Skandal hat. ÖVP-Mediensprecher Franz Morak meint eher ja. Er hat ja ein paar Jahre politischer Erfahrung und dabei den ORF sicher als streng neutrales Institut kennengelernt, heldenhaft verteidigt von Monika „Teflon“ Lindner gegen alle Interventionsversuche. Morak weiß also, wovon er spricht, wenn er nun mutmaßt, dass Faymann-Wahlkampfberater Karl Krammer, der gleichzeitig im ORF-Stiftungsrat sitzt, den Rundfunk „auf SPÖ-Linie“ gebracht habe. Indirekt bekam Morak dabei Unterstützung von den ORF-Redakteurssprechern, die offen der Darstellung ihrer Chefs widersprachen, der Beitrag sei zu spät fertig geworden.

Das ist im Grunde aber schon die ganze Handlung dieser kurzen Sommertheater-Posse. Wobei im zweiten Akt auch noch das beredte Schweigen der Plattform SOS ORF zu hören war, jenes Personenkomitees, das sich in der Ära Lindner gegen die Zugriffe der Politik auf den ORF zusammengefunden hat. Aber hat es überhaupt eine Intervention gegeben? Hintergrund dürfte ganz einfach sein, dass in dem Beitrag niemand von der „Kronen Zeitung“ selbst zu Wort kam. Derlei verstößt gegen die Prinzipien des seriösen Journalismus. Blöd ist in diesem Zusammenhang nur, dass Dichand nur Dichand autorisiert hat, über die Zeitung was zu sagen – und Hans Dichand gewöhnlich für niemanden zu sprechen ist. Möglicherweise hat die ORF-Führung also nur sehr vorsichtig, vielleicht übervorsichtig, agiert. Und auch das ist bezeichnend genug: In einem Beitrag über den Murtaler Boten hätte man die Formvorschriften wahrscheinlich nicht so streng genommen.

Den Murtaler Boten verbindet aber auch nicht eine so lange schwierige Beziehung mit dem ORF wie Österreichs größte Tageszeitung. Man erinnere sich etwa an die unterbliebene Ausstrahlung der belgischen Dokumentation „Tag für Tag ein Boulevardstück“ im Jahr 2002 mit der legendären Hofburg-Frühstücksszene mit dem damaligen Präsidenten Thomas Klestil und Hans Dichand (Klestil: Danke vielmals. Ich bedanke mich für dieses Vertrauensverhältnis, das sich da entwickelt und gefestigt hat. Dichand: Ich freu' mich sehr darüber. Klestil: Und wir werden das schon zum Wohl des Landes . . . Dichand: So gut es nur geht. Wiederschauen. – Wiederschauen. Danke! Klestil: Schöne Grüße von meiner Frau. Sie sagt, sie steht immer zur Verfügung, wenn . . .). Als der deutsch-französische Sender ARTE das dann brachte, flog sein Programm aus der Fernsehseite der „Krone“.

Auch unser kleines Sommertheater riecht weniger nach großer Politik als nach einem weiteren kleinen Kapitel des Spiels um Dominanz und Unterwerfung zwischen dem Staatsfunk und dem Massenblatt. Dabei sollte ein Fernsehbericht über die neue Parteilichkeit der „Kronen Zeitung“ keine solche Aufregung wert sein – sie vollzieht sich immerhin vor aller Augen. Da ist alles so evident, dass man eigentlich auch niemanden von der Zeitung dazu interviewen müsste.

Realkabarett-Qualitäten erreichen da vor allem die Leserbriefseiten, seit jeher die Leitartikelseite der „Krone“. Molterer und Faymann sind dort etwa gleich häufig vertreten – aber wie: Mir ist positiv aufgefallen, dass Werner Faymann den . . . versprochenen neuen Stil in der Politik bereits vor der Wahl praktiziert. – Ich bin mir sicher, dass Werner Faymann auch als Kanzler brillieren wird und Österreich zum Besseren verändert. – Molterers an ein Rumpelstilzchen erinnerndes Spiel . . . – Es reicht, lieber Herr Molterer, genießen Sie Ihren Ruhestand, in den wir Wähler Sie schicken werden. usw. usf. Täglich.

Es ist klar, dass die „Kronen Zeitung“ Partei ergreifen darf, für wen sie will. Sie darf so einseitig sein, wie es ihr lustig ist. Das ist auch nicht soooo gefährlich. Denn so dumm sind die „Krone“-Konsumenten auch nicht: Die Zeitung lesen und ihr glauben sind zweierlei Dinge. Richtig gefährlich könnte es nur dann werden, wenn die größte Tageszeitung mit dem größten Fernsehsender des Landes einen Nichtangriffspakt praktizierte. Und deswegen ist es dann doch kein Sommertheater, wenn man genau hinschaut, was in der ZiB so gebracht wird und was nicht.

michael.prueller@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.