Warum Athens Euro-Austritt nichts bringt, aber diskutiert werden muss

Der Grexit ist zurück und treibt den Euro in die Tiefe. Eine logische Folge politischer Instabilität in Athen und Zockerei auf den Finanzmärkten.

Hans-Olaf Henkel könnte sich freuen, wäre er nicht gerade in interne Parteistreitigkeiten der Alternative für Deutschland (AfD) verstrickt. Der ehemalige Industrielle hat sich für einen Euroaustritt Griechenlands starkgemacht und damit viel Applaus in seinem Land geerntet. Nun ist das Thema Grexit zurück. Deutsche Politiker konnten nicht an sich halten, was ihnen die Stammtische verbal vorgekaut hatten. Sie treiben nun mit Drohungen gegen Griechenland den Euro in eine Rekordtiefe. Ironie der Geschichte: Ausgerechnet Hartwährungsverfechter in der CDU/CSU helfen gemeinsam mit Linkspopulisten in Griechenland, dass Zocker auf den Finanzmärkten neue Gewinne aus der eben erst beruhigten Eurokrise ziehen.

Es ist jetzt zwar verständlich, aber unrealistisch, wenn einige Wirtschaftsforscher und der österreichische Finanzminister fordern, diese Debatte zu beenden. Der Grexit steht im Raum, weil damit zu rechnen ist, dass Griechenlands Linksbündnis Syriza die Neuwahl gewinnen wird. Vorsitzender Alexis Tsipras fordert eine Aufweichung der Sparprogramme und einen neuen Schuldenschnitt. Das kommt dem Bruch der griechischen Verpflichtungen gleich. Verpflichtungen, die das Land im Gegenzug zu günstigen Notkrediten von EU und IWF eingegangen ist. Ohne Euro-Austrittsszenario gibt es keinen Druck auf eine eventuell neue Regierung in Athen, sich an die vereinbarten Verträge zu halten.

Denn der Austritt hätte, auch wenn es der deutsche Wirtschaftsforscher Hans-Werner Sinn gern anders darstellt, erhebliche Nachteile für Griechenland. Zwar könnte das Land dadurch seine eigene Währung wieder nach Belieben abwerten und beispielsweise den Tourismus günstiger und damit attraktiver gestalten. Gleichzeitig würden aber sämtliche Spareinlagen im Land von einem Tag auf den anderen an Wert verlieren. Importe aus anderen Euroländern, die etwa für den Aufbau einer konkurrenzfähigen Wirtschaft notwendig wären, würden deutlich teurer werden. Selbst Tsipras, der bei seinen Anhängern mit EU-kritischen Tönen punktet, will das Land deshalb im Euro halten. Andernfalls drohen nämlich auch eine Abkoppelung vom europäischen Binnenmarkt und eine fragile Zukunft auf den Finanzmärkten, von denen Athen trotzdem abhängig bliebe.

Die restlichen Euroländer hätten sich mit einem Austritt zwar von der unsicheren Last des wankenden Partners befreit, müssten aber weit mehr als nur ihre Haftungen für den Notkredit abschreiben. Die gemeinsame Währung, die letztlich nicht nur von Griechenland, sondern auch von Ländern wie Italien, Zypern und Portugal getragen wird, hätte an Glaubwürdigkeit verloren. Die aktuelle Talfahrt des Euro ist nur ein Vorgeschmack darauf, was bei einem Auseinanderbrechen der Währungsunion bevorstünde. Österreich müsste aktuell zwar „lediglich“ geschätzte vier Milliarden Euro an Haftungen abschreiben. Das ist ein Bruchteil der voraussichtlichen Kosten der Hypo-Pleite. Aber die heimische Wirtschaft wäre von den Auswirkungen eines Grexit vom Westbalkan bis Italien stark betroffen.


Griechenland trägt nämlich eine Verantwortung für eine ganze Region, die in Misskredit geraten ist. Entweder das Land beißt sich noch einige Jahre durch und setzt den bisher durchaus erfolgreichen Reformweg fort. Oder es sorgt dafür, dass der Euro in Südeuropa zu einem politischen Spielball, dass die Kreditwürdigkeit von Ländern mit akuten Finanznöten über das finanzierbare Maß hinaus herabgesetzt würde.

Tsipras mag das Unrecht kritisieren, das der ärmeren griechischen Bevölkerung zuteilwurde: Sie hat tatsächlich die Hauptlast des Schuldendesasters getragen – nicht jene, die in den Jahren davor vom Nepotismus und der Korruption der großen Parteien profitiert haben. Es ist verständlich, dass ihn viele aus Frustration darüber wählen werden. Aber es ist eine Illusion, dass diese Ungerechtigkeiten ohne Reformen des Staatsapparats und mit weniger Druck von außen auf den forcierten Aufbau einer wettbewerbsfähigen Volkswirtschaft beseitigt würden.

E-Mails an: wolfgang.boehm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2015)

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